Bald ist wieder Fastenzeit und die Mühe des Abnehmens nimmt alljährlich ihren Anfang. Andere machen sich große Überlegungen, auf was sie wohl verzichten können. Aber geht’s wirklich ums Verzichten in der Fastenzeit?
Transkript
Herzlich Willkommen zur neunten Folge. Zunächst klingt es nicht sehr spannend, kurz vor der Fastenzeit eine Episode über das Fasten zu machen. In diesem Podcast erzähle ich dir jedoch, welche Missverständnisse es bei der Fastenzeit gibt und warum ich seit vielen Jahren nicht gefastet habe.
Bevor es losgeht, möchte ich darauf hinweisen, dass ich sehr gern mit dir in den Austausch gehe. In den Shownotes habe ich alle Kontaktmöglichkeiten angeführt. Mehr zum heutigen Thema kannst du im zweiten Kapitel meines Buches „In der Dunkelheit“ nachlesen. Auch hier findest du einen Link in den Shownotes. Ich freue mich sehr, wenn du diesem Podcast, mir auf Instragram oder meiner Facebook-Seite folgst oder meinen YouTube-Kanal abonnierst. Gern kannst du dich auf meiner Homepage auch für meinen Newsletter eintragen lassen. –
Und los gehts.
Bei der Fastenzeit denken viele gleich an Fasten. Ist ja auch ganz natürlich; immerhin heißt sie ja Fastenzeit. Unter Fasten wird dann ein Wenigeressen verstanden. Für manche vielleicht nicht gerade ein Weniger, sondern ein anderes, bewussteres Essen.
Für die meisten hat jedoch Fasten immer etwas mit Verzicht zu tun. Sie meinen, in der Fastenzeit sollte man auf etwas verzichten. Irgendetwas soll weniger sein: Schokolade, Alkohol oder irgendetwas anderes. Manche gehen über das Essen hinaus und verzichten zeitweise auf Handy, Fernsehen, sonstigen Medienkonsum oder aufs Autofahren und dergleichen.
Verzichten steht also in der Fastenzeit hoch im Kurs. 40 Tage lange. Die restlichen 325 – oder im Schaltjahr 326 Tage – braucht nicht verzichtet zu werden.
So kommt es nicht von ungefähr, dass die Politik angesichts der Klimakrise nicht so gern vom Verzicht spricht. Die Menschen wollen nicht verzichten. Schon gar nicht aufs Auto. Also muss man die Veränderung positiv „framen“ – wie man heute so schön sagt. Sie darf nicht als Verzicht, sondern muss als Gewinn neuer Lebensqualität gesehen werden. Klar geht es dabei um meine Lebensqualität, die sich verbessern soll.
Denn um die Lebensqualität derjenigen, deren Ausbeutung meinen Lebenstandard absichert, geht es nicht. Dass ich lerne zu verzichten und dabei vielleicht ein wenig Lebensqualität einbüße zugunsten der Verbesserung der Lebensqualität der anderen, das ist für uns Europäer nur wenig attraktiv.
Von dem her könntest du auch mal auf ganz anderes verzichten. Es sind ja nur 40 Tage.
Du könntest zum Beispiel diese Zeit über einmal auf deine Privilegien verzichten, auf das „Ich bin der erste“ oder auf das „Ich lasse meine Beziehungen spielen“ oder auf das „Ich setze meine Rechte durch“ oder auf das „Meine Bedürfnisse sind wichtiger als deine“.
Du könntest aber auch darauf verzichten, in Gesprächen immer das letzte Wort zu haben. Überlass es einfach dem oder der anderen.
Verzichte 40 Tage lange auf ICH und vielleicht gewinnt dann das DU mehr Raum.
Obwohl ich jetzt ein paar Verzichtsvorschläge gebracht habe, kann ich diesem Zugang zur Fastenzeit nur wenig abgewinnen. Und ich meine damit nicht, dass viele nicht aus religiösen Gründen fasten, sondern weil sie schlank werden wollen. Zudem ist sicher schon klar geworden, dass ich auch nichts gegen das Verzichten habe.
Was ich aber nie verstanden habe, ist, warum ich für 40 Tage etwas tun soll, was angeblich gut ist, die restliche Zeit aber muss ich mich nicht bemühen. Warum strebe ich keine nachhaltige Veränderung meines Lebens, meines Lebenstils, meiner Gewohnheiten an? Warum kann ich nicht das ganze Jahr hindurch Gutes tun – egal ob an mir selbst oder an anderen?
Es braucht also noch eine vertiefenden Blick:
Christlich gesehen verbinden wir uns in der Fastenzeit mit der Wüstenerfahrung Jesu, von dem es heißt, dass er nach seiner Taufe am Jordan 40 Tage in der Wüste verbrachte und da vom Teufel in Versuchung geführt wurde.
Man muss ja jetzt nicht unbedingt an den personifizierten Teufel glauben. Dennoch kann man die Fastenzeit über der Frage widmen: Was sind meine Versuchungen? Wo geschieht es mir, dass ich fehl gehe, dass ich andere verletzte, dass ich schuldig werde? Wo zeige ich Schwäche, Überforderung, Ausgebranntsein? Wo brauche ich mehr Stärke, vielleicht auch Stärke durch eine andere Person? Wo bin ich auf Hilfe angewiesen?
Als Christ kann ich fragen: Wo erfülle ich das nicht, was Gott will – was Gott von mir will?
Die meisten Veränderungen im Leben gelingen nicht mit großen Schritten und nicht von heute auf morgen und nicht, wenn ich alles auf einmal ändern will. Aber wenn ich nachhaltige Veränderung in meinem Leben bewirken will, so kann die Fastenzeit ein Anlass sein, diese nachhaltigen Veränderungen zu beginnen. Neu anzufangen. Neu aufzubrechen. Höre dazu Episode zwei.
Wie schon zu Beginn gesagt, stellen wir in der Fastenzeit das Fasten und damit das Verzichten an die oberste Stellen. Im kirchlichen Bereich heißt die Fastenzeit jedoch österliche Bußzeit. Buße ist jetzt so ein altes Wort, dass wir heute sehr selten verwenden. Außer wir wollen einem unsere Rache angedeihen lassen. Dann sagen wir: „Das wirst du büßen.“
Lassen wir das Wort aber einmal beiseite und schauen, was wichtig ist, denn es sollten drei Werke im Mittelpunkt stehen: das Fasten, das Beten und das Almosen geben. Zu diesen drei findest du im 6. Kapitel des Matthäus-Evangeliums zentrale Ausführungen. Über dieses Kapitel wirst du in der nächsten Podcast-Folge mehr hören.
Jetzt möchte ich abschließend nur noch kurz auf diese drei Werke der Barmherzigkeit allgemein eingehen:
Das Fasten umfasst im engeren Sinn – wie schon ausgeführt – die Einschränkung von Nahrung. Verstehen wir das Fasten im weiteren Sinn, geht es um das Verzichten generell. Und dazu habe ich schon einiges gesagt.
Beim Beten geht es um eine besondere Hinwendung zu Gott, den ich besonders in der Fastenzeit bitten kann, mir die Kraft zu schenken, stark in der Schwäche, gut im Bösen und verzeihend im Schuldhaften zu sein. Dabei geht es also auch darum, vor Gott – im übertragenen Sinn – sich nackt zu machen und sich ihm ohne Täuschung und Maskierung zuzuwenden. Damit verbunden ist demnach die innere Einkehr, die Zurücknahme des Ichs, von der ich auch schon gesprochen haben.
Beim Almosengeben steht vor allem die Hinwendung zu den Armen im Mittelpunkt. Im Gegensatz zur Zeit Jesu haben wir heutzutage ein staatliches Sozialsystem. Obwohl nicht alle, werden die meisten, finanziell schlechter gestellten Menschen von unserem sozialen Netz aufgefangen. Es geht daher nicht immer darum, jemanden Geld zu geben, obwohl das auch nicht verboten ist. Wobei dieses Geldgeben kein Freikauf von weiteren Ausbeutungen sein soll.
Ich meine, dass dieser Aspekt der Fastenzeit bzw. österlichen Bußzeit viel zu kurz kommt. Hier könnte sich jeder einzelne einmal überlegen, wie er oder sie diese Hinwendung zu den Armen in der Fastenzeit – und darüber hinaus – mehr Raum geben kann. Für mich wäre ja auch allein die Frage eine solche Hinwendung, wo ich an der Ausbeutung, an der Ausgrenzung, am Machtmissbrauch beteiligt bin. Und da meine ich jetzt nicht nur unser Konsumverhalten, sondern auch unseren ganz persönlichen Lebensbereich. Auch meine Verzichtsvorschläge am Beginn sollten genau in diese Richtung gehen. Weniger Ich und mehr Du.
Bei diesen drei Werken der Barmherzigkeit, die in der österlichen Bußzeit im Mittelpunkt stehen sollten, geht es um die drei Beziehungsdimensionen des Menschen: Beim Fasten wendet sich der Mensch sich selbst zu, beim Beten Gott entgegen und beim Almosengeben zu den anderen Menschen, besonders den Armen, hin. Es ist wohl ein Zeichen unserer Zeit, dass das Fasten, also die Hinwendung zu sich selbst, so hoch im Kurs steht, während die anderen beiden Dimensionen wenig Beachtung finden. Die Fastenzeit will demgegenüber den Menschen in seinem umfassenden Beziehungsgeschehen ins Zentrum rücken.
Es geht daher nicht lediglich um den Verzicht, sondern um die nachhaltige Neuausrichtung meines Lebens in all seinen Beziehungsdimensionen. Dies verbindet uns mit der Wüstenerfahrung Jesu, der sich im Rückzug auf sich selbst, Gott Raum gab, um den Beziehungen zu den Menschen trotz der Versuchung den richtigen Rahmen zu geben.
Ich habe mir jedenfalls für diese Fastenzeit vorgenommen, mir wieder einmal etwas vorzunehmen. Was, das weiß ich zum Zeitpunkt dieser Aufnahme noch nicht. Ich werde es aber auch im Nachhinein nicht verraten. Warum? Das verrate ich dir in der nächsten Episode.