Der Garten Eden ist jedem ein Begriff. Doch kennt man die Geschichte genau? Oder lässt man sich eher vom allgemeinen Verständnis leiten, das am Text vorbeigeht? Und was bedeutet der Garten in der Bibel ganz allgemein?
In dieser Advent-Serie behandle ich Orte in der Bibel, die auch als Metapher für das Ende der Welt dienen. So gehen wir Schritt für Schritt aus dem Garten hinaus durch die Wüste auf einen Berg bis wir endgültig in der Stadt landen.
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Transkript
Herzlich Willkommen zur 53. Episode.
Wir haben ja gerade eine Zeit, die Christen als Advent bezeichnen. „Advent“ kommt vom Lateinisches „advenire“ und bedeutet „ankommen“. Es ist die Vorbereitungszeit auf Weihnachten, wo Christen feiern, dass Gott in dieser Welt angekommen ist. Als Kind wurde er geboren. Daher wird mit der Adventzeit auch das Warten sehr stark verbunden.
Natürlich warten Christen nicht auf eine Geburt, die schon vor 2000 Jahren stattgefunden hat. Christen warten eher auf die Feier dieser Geburt.
Christen warten aber auch noch auf etwas anderes: Mit der Geburt Jesu verbindet man das Ende der Zeit, das Ende der Welt. Oder soll man sagen: das Ende der Welt, wie wir sie kennen?
Mit Jesus ist dieses Ende angebrochen, aber noch nicht vollendet. Zu Weihnachten feiern Christen nicht nur ein vergangenes Ereignis, also die Geburt Jesu, sondern auch ein zukünftiges, nämlich seine Wiederkunft und die Schaffung einer neuen Welt. Der Advent stellt also nicht nur das Warten auf diese Feier, sondern auf das Ende der Welt selbst in den Mittelpunkt.
Diese neue Welt soll ein bestimmter Ort sein. Und in der Bibel gibt es viele Orte, die Sinnbild für diesen Ort oder für den Weg zu diesem Ort sind.
Ich werde mich daher im Advent ein paar dieser Orte widmen. Es werden sein: der Garten, die Wüste, der Berg und die Stadt. Das bedeutet auch, dass im Advent jede Woche eine neue Folge herauskommen wird, nicht wie sonst üblich jede zweite Woche.
Und heute starte ich mit dem Garten.
Bevor es aber losgeht, möchte ich mich sehr herzlich bei allen treuen Hörerinnen und Hörern bedanken. Vor allem auch für die positiven Rückmeldungen, die ich bekomme. Es freut mich auch, wenn ihr meine Folgen mit eurem Netzwerk teilt, sodass sie auch andere hören können. Nachrichten von euch und Kommentare auf meiner Webseite lese ich immer gern. Ganz herzliches Danke an all jene, die mich über ko-fi oder PayPal auch finanzielle unterstützen. Meine ganzen Online-Angebote erstelle ich in meiner Freizeit und sind kostenlos. Und ich will sie nicht mit lästiger Werbung finanzieren.
So jetzt geht’s aber los.
Ich habe ja seit kurzem selbst einen Gemüsegarten. Und ich konnte meine Mutter überreden, auch ihren Garten wieder zu aktivieren. Wer selber einen Garten hat, der weiß, wie viel Arbeit das ist. Und doch steht man vor den Pflanzen und hat oft wenig Einfluss darauf, was wächst und was nicht.
Mein Garten besteht eigentlich aus ein paar Beeten in einem Gemeinschaftsgarten. Vor Kurzem stand ich mit einer anderen Beetbesitzerin vor meinem und ich erzählte, was ich so angepflanzt hatte. Dann erzählte ich auch, was gewachsen war und ich ernten konnte und was nicht gewachsen war. Halt, ein normales Gärtnergespräch.
Im Nachhinein dachte ich: Schon interessant – da erzählt man ganz ohne Scham, was nicht gelungen ist. Es ist etwas ganz Normales, wenn etwas nicht wächst, wenn die Saat nicht aufgeht oder sie aufgeht, dann aber zerfessen wird.
Und wie ist das im Leben? Wie oft schämen wir uns davor zu erzählen, wenn etwas nicht gelungen ist. Schnell sind wir dabei zu meinen, wir hätten Schuld. Und vor Schuldeingeständnissen schämen wir uns.
Beim Garten scheint das anders zu sein. Da weiß man einfach, dass das Gelingen von so vielen Faktoren abhängt, die wir gar nicht unter Kontrolle haben. Aber im Leben glauben wir, wir sollten alles unter Kontrolle haben.
Warum eigentlich?
Nun, ich komme zur Bibel: Der bekannteste Garten dort ist wohl der Garten Eden gleich am Anfang im zweiten Kapitel. Und dennoch kennen die meisten ihn nur oberflächlich, da sie diesen Garten mit dem Schlaraffenland verwechseln. Damit liegt man aber völlig falsch.
Ein paar Punkte möchte ich nennen, die aus meiner Sicht wichtig sind:
- Ein Garten ist immer etwas Angelegtes. Es gibt ja ganz verschiedene Gärten: Gemüsegärten, Schlossgärten, unterschiedliche Kulturen legen unterschiedliche Gärten an. Dann gibt es botanische und zoologische Gärten. So unterschiedlich sie sind, haben sie eines gemeinsam: Sie sind von Menschen angelegt.
Ein Garten wächst nicht einfach so in der Natur, sondern entsteht nur durch den Eingriff des Menschen. In der Geschichte vom Garten Eden ist es Gott, der den Garten anlegt.
Mit anderen Worten: Beim Garten haben wir schon das erste Kulturprodukt im wahrsten Sinn des Wortes vor uns. Das lateinische Wort „cultura“ bezeichnet ursprünglich den Ackerbau. Sprich: Waren die Jäger und Sammler noch jene, die das genommen haben, was die Natur von sich aus angeboten hat, begann der Ackerbauer in die Natur einzugreifen, um sie sich nutzbar zu machen.
Eben das ist der Garten: ein abgegrenzter Bereich, der dem Menschen zum Nutzen sein soll. - Der Mensch wird also nicht einfach in die unbeherrschbare, unberechenbare Natur mit ihren zerstörerischen Mächten hineingesetzt, sondern in die zunächst von Gott gezügelte Natur.
Wir vergessen oft, dass die Natur sehr zerstörerisch und gewalttätig sein kann. Nur bei Hochwasserkatastrophen oder Hurricans werden wir mit dieser Seite der Natur konfrontiert. Allzuoft aber idealisieren und romantisieren wir Natur. Das ist sehr leicht, wohnen wir doch in starken Häusern hinter festen Mauern.
Wird der Mensch also in den Garten gesetzt, dann ist er der Natur nicht mehr hilflos ausgeliefert. - Das bedeutet auch, dass der Mensch – nicht nur Gott – in die Natur eingreifen kann. Er muss sich seinen Lebensunterhalt erarbeiten. Der Garten Eden ist eben kein Schlaraffenland, wo die gebratenen Hühner direkt in die Münder von Adam und Eva fliegen. Vielmehr muss der Mensch den Boden bebauen, um sich seine Grundbedürfnisse zu stillen. Der Mensch im Garten ist also Arbeiter, genauer Landarbeiter.
Nur nebenbei bemerkt: In diesem Garten soll der Mensch kein Tier essen, also auch kein Huhn braten, sondern sich lediglich durch Pflanzen ernähren. - Der Garten wird vorgestellt als der ideale Wohnort des Menschen. Man kann sich ohne Scham nackt begegnen. Die Metapher der Nacktheit meint nicht nur die körperliche Nacktheit, sondern meint, dass sich Menschen begegnen können und sie müssen keine Angst haben, sich vor anderen lächerlich zu machen oder kritisiert zu werden. Die Menschen nehmen sich so an, wie sie sind.
- Wir wissen, dass sich das ändern wird, sobald die beiden vom Baum der Erkenntnis essen. Sie beginnen sich voreinander zu verstecken. Man kann sich jetzt nicht mehr nackt begegnen, nicht mehr so sein, wie man ist. Und man kann Gott nicht mehr so gegenübertreten, wie man ist. Auch vor ihm muss man sich verstecken.
Die Folgen für das Übertreten des göttlichen Gebotes gehen aber noch weiter: Sie bestehen nicht darin, dass der Mann arbeiten muss, sondern dass er es im Schweiße seines Angesichtes tun muss. Sie bestehen auch nicht darin, dass die Frau gebären muss, sondern dass sie es unter Schmerzen tun muss. Und sie bestehen darin, dass der Mann über die Frau herrschen muss und die Frau nach dem Mann verlangt.
Wer sich vor allem am letzteren stößt, dem sei nochmals deutlich gesagt: Die Unterordnung der Frau ist eben das, was die Bibel als Folge der Sünde sieht. Wünschenwert ist das schon für die Bibel nicht. Wer also aus der Bibel begründen will, dass die Frau untergeordnet ist, der hat diese Geschichte nicht verstanden. Dasselbe gilt für die Schmerzen und Qualen des Arbeitens und Gebärens.
Gerade dieser letzte Punkt – das Verhältnis von Mann und Frau – wird im Alten Testament in einem anderen Buch aufgegriffen. Ich spreche vom Hohenlied. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von Liebes- und Hochzeitsliedern, die mehr oder weniger lose zusammengestellt wurden. Daher ist es auch kein systematisches Buch oder hat einen roten Faden.
Wie auch immer: Der zentrale Satz lautet:
Esst, Freunde, trinkt, berauscht euch an der Liebe!
Hoheslied, Kapitel 5, Vers 1
Es geht um zwei Geliebte, die nur schwer zueinander kommen können. Vor allem bei der Geliebten wird die männliche Dominanz geschildert: Ihre Brüder wollen über sie bestimmen. Die Wächter der Stadt misshandeln sie.
Doch dann finden sich die Geliebten beide im Garten ein und können endlich vereint sein. Dieses Sein im Garten führt nun zur Begegnung der beiden auf Augenhöhe, ja, fast zu einer Umkehrung der Verhältnisse: Nicht mehr die Frau begehrt den Mann, sondern der Mann die Frau (7,11). Und die Geliebte sagt:
Ich gehöre meinem Geliebten und mein Geliebter gehört mir, der unter Lilien weidet.
Hoheslied, Kapitel 6, Vers 3
Das Hohelied schildert also den endgültigen Garten, den Garten am Ende der Zeit. Besser gesagt: Der Garten ist eine Metapher für die neue Welt, in der alles rückgängig gemacht wird, was am Beginn daneben ging.
Der Garten wird vorgestellt als Ort der Freude und der sinnlichen Lust. Die Nacktheit spielt keine Rolle mehr. Alle sind aufgerufen zu essen und zu trinken, ja sich zu berauschen (vgl. auch Hld 7,14; 8,2.5). Die Mühsal, mit der sich die Menschen seit dem Verlassen des ersten Gartens herumquälen, ist nicht mehr; jetzt ist eine ekstatische, berauschende Liebe. Auch das Verbot, bestimmte Früchte zu essen, gilt nicht mehr; jetzt können alle Früchte ohne Ende gegessen werden (Hld 2,3.13; 4,13; 7,14).
Auf eine letzte Geschichte möchte ich nur hinweisen, da ich darüber ein eigene Episode gemacht habe. Im Johannes-Evangelium haben wir die Erzählung, wie der auferstandene Jesus Maria Magdalena begegnet. Auch das spielte sich in einem Garten ab. Denn Maria dachte zunächst, Jesus wäre der Gärtner. Und er war es auch.
Denn am Beginn, beim ersten Garten, ist ja auch Gott der Gärtner. Und jetzt, wo der Tod überwunden ist, ist Jesus der Gärtner. Und wieder haben wir es mit einer Begegnung zwischen Mann und Frau zu tun. Doch Jesus kann nicht im Garten bleiben. Er muss Maria und uns verlassen. Es ist also noch nicht der endgültige Garten. Jesus muss gehen; erst dann hat er seinen Auftrag erfüllt.
Wenn er wiederkommt, wird er uns aber keinen neuen Garten anlegen. Das Christentum hat diese Metapher nicht übernommen. Nach dem Johannes-Evangelium wird er uns eine Wohnung bereiten, denn im Haus des Vaters gibt es viele Wohnungen (Joh 14,2-3). Hier deutet sich schon an: Am Ende der Zeit wird Gott keinen Garten anlegen, sondern eine Stadt. Das wird aber Thema der letzten Adventfolge sein. Vorher müssen wir noch durch die Wüste auf den Berg.