Karlheinz Six

Dunkelheit bei Franz von Assisi

Titelbild: Dunkelheit bei Franz von Assisi

Franz von Assisi ist aufgrund seiner Spiritualität der Armut und der Schöpfung, einer Spiritualität des lichtvollen Gottes bekannt. Doch er machte auch vielfältige Erfahrungen der Dunkelheit, die nur wenig bekannt sind.

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Transkript

Herzlich Willkommen zur vierten Folge. Dieses Mal möchte ich mich einem der wohl bekanntesten Heiligen widmen, nämlich Franz von Assisi. Er wird allgemein mit dem Tierschutz oder ganz generell mit einer Spiritualität der Schöpfung in Verbindung gebracht. Es gibt aber einen Aspekt seines Lebens, der zu wenig beachtet wird und über den ich heute sprechen möchte.

Bevor es losgeht, möchte ich darauf hinweisen, dass ich sehr gern mit dir in den Austausch gehe. In den Shownotes habe ich alle Kontaktmöglichkeiten angeführt. Wenn du mehr zu diesem Thema lesen möchtest, freue ich mich, wenn du mein Buch bestellst. Auch hier findest du einen Link in den Shownotes. Ich freue mich sehr, wenn du mir auf Instragram oder auf meiner Facebook-Seite folgst oder meinen YouTube-Kanal abonnierst. Gern kannst du dich auf meiner Homepage auch für meinen Newsletter eintragen lassen. –

Und los gehts.

Kinder lernen Franz von Assisi als den kennen, der mit den Vögeln redet. Darin verbirgt sich seine positive Hinwendung zur Schöpfung Gottes. In ihr erkennt Franz von Assisi überall Zeichen Gottes selbst. So zum Beispiel verneigte er sich überall da, wo er in der Natur ein Kreuz erblickt.

Die Spiritualität des Franziskus fußt aber zunächst auf einer anderen Erkenntnis: Wie kann ich – so taucht plötzlich in seinem Leben die Frage auf – auf die richtige Weise Jesus nachfolgen? Seine Antwort liegt in der Nachahmung seiner Lebensweise: arm, unterwegs und dem Frieden und den Menschen zugewandt. Diese Lebensweise war zur damaligen Zeit nicht unumstritten, wurden doch ähnlich denkende Menschen von der Kirche verfolgt.

Ich selbst habe Franz von Assisi in meiner Jugendzeit kennengelernt. Beeinflusst vom Film „Bruder Sonne, Schwester Mond“ von Franco Zefirelli, den ich bestimmt mehr als dreißig Mal gesehen habe, hatte ich ein sehr romantisiertes Bild auf diese Heiligen. Im Laufe der Jahre und der Beschäftigung mit ihm hat sich aber mein Verständnis grundlegend geändert. In den letzten Jahren ist für mich vor allem spannend geworden, welche Erfahrungen keinen Eingang in die uns bekannten Texte und spirituellen Haltungen gefunden haben. Und darauf möchte ich in dieser Folge zu sprechen kommen.

Für Franziskus ist Gott der Lichtvolle. In seinen Ermahnung schreibt er:

Der Vater ‚wohnt in unzugänglichem Licht‘ und ‚Gott ist ein Geist‘, und ‚niemand hat Gott je gesehen‘.“ (Erm 1,5)

Oder er schreibt in der nicht-bullierten Regel:

Gott ist

„unveränderlich, unsichtbar, unbeschreiblich, unaussprechlich, unbegreiflich, unerforschlich“.

Gott, der Lichtvolle, ist so übervoll mit Licht, dass er von keinem gesehen werden kann.

Demgegenüber hat Franziskus auch zahlreiche unterschiedliche und ganz konkrete Erfahrungen von Dunkelheit und Finsternis gemacht.

Im Folgenden möchte ich daher diese unterschiedlichen Erfahrungen von Dunkelheit schildern, ohne sie irgendwie zu ordnen oder in ein System zu bringen.

Der junge Giovanni – wie er eigentlich hieß – hatte ganz andere Zukunftsvorstellungen. Er verfolgte ritterliche Ideale und zog gegen die Nachbarstadt Perugia in den Krieg. Allerdings wurde er gefangen genommen und für ein Jahr in einen dunklen Kerker geworfen.

Aus diesem Krieg kam er krank zurück und durfte über mehrere Monate das Licht nicht sehen. Er verbrachte seine Gesundung also in Dunkelheit.

Diesen äußeren Erfahrungen von Dunkelheit folgte bald auch die Erfahrung innerer Dunkelheit. Es dauerte noch ein Weilchen bis Franziskus sich wirklich Jesus hinwendet. Dafür verantwortlich ist unter anderem ein Erlebnis, bei dem in ihm die Frage auftauchte, warum er nicht dem wahren Herrn nachfolge. Er erkannte plötzlich seine innere Dunkelheit, denn bis dahin – so sagt er selbst – habe er gelebt, als ob es Christus nicht geben würde.

Gewöhnlich wird seine Wende auch mit einem Erlebnis in Verbindung gebracht, dass er im kleinen, baufälligen Kirchlein San Damiano hatte: Er soll dort vor dem Kreuz gebetet haben und er habe eine Stimme gehört, die gesagt hat, er solle die Kirche wieder aufbauen. Er verstand es zunächst wörtlich und baute San Damiano wieder auf, jedoch soll nicht diese Kirche gemeint gewesen sein, sondern die Institution Kirche als Ganze. Diese kirchenkritische Version dieses Erlebnisses tauchte aber erst lang nach dem Tod des Franziskus auf.

Tatsächlich betete er vor dem Kreuz in Dunkelheit, weil sich der Pfarrer die Kerzen nicht leisten konnte. In der Dunkelheit hatte Franziskus also ein für seinen Weg zentrales Erlebnis, dass zu seinem neuen Leben einen wichtigen Beitrag leistete. Als Reaktion spendete er Geld, damit bei dem Kreuz immer ein Licht brennt.

Die Kerker-Erfahrung musste er nochmals machen: Nachdem er schon seine neue Lebensweise angenommen hat, wurde sein Vater so wütend, dass er sich ihn schnappte und in ein Verließ einschloss. Wie dunkel das war, kann man heute noch in der Chiesa nuova in Assisi besichtigen. Seine Mutter hat ihn dann letztlich frei gelassen.

Zuvor aber – Franziskus wusste von den Nachstellungen des Vaters – hat er sich in Höhlen in der Umgebung von Assisi versteckt. Er blieb in diese dunklen Höhlen tagaus, tagein, damit er von niemanden gesehen und erwischt wird. Manche wohlmeinende Menschen brachten ihm Essen, dass er dann kurzzeitig außerhalb der Höhle oder auch innerhalb zu sich nahm.

Später wird sich Franziskus öfter in Höhlen zurückziehen und in ihrer Dunkelheit verborgen beten. Heute kann man solche noch in der Nähe der Einsiedelei Carceri bei Assisi, in der Nähe von Narni oder bei der Fonte Colombo unweit von Rieti, sehen.

Aber auch krankheitsbedingt wurde er in seinem weiteren Leben mit der Dunkelheit konfrontiert. Er litt unter verschiedenen Krankheiten, unter anderem an einem Augenleiden. Das führte einmal dazu, dass er über 50 Tage hinweg völlig erblindete. In dieser Zeit schrieb er an seinem wohl bekanntesten Text, dem Sonnengesang.

Wir sehen also, dass Franziskus vielfältige, ganz unterschiedliche Erfahrungen mit Dunkelheit gemacht hat. Einen wesentlich Einfluss dieser auf seine Spiritualität kann ich nicht erkennen. Nur im ältesten Gebet, dass uns schriftlich überliefert ist, spricht er seine eigene Finsternis an. Er soll es vor dem Kreuz von San Damiano gebetet haben.

Mit diesem Gebet möchte ich diese Folge beschließen.

„Höchster, lichtvoller Gott,

erleuchte die Finsternis in meinem Herzen:

gib mir einen Glauben, der weiterführt,

eine Hoffnung, die durch alles trägt,

und eine Liebe, die auf jeden Menschen zugeht.

Lass mich spüren, wer du, Herr, bist,

und erkennen, wie ich deinen Auftrag erfülle.

Amen.“

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