Das Äußerliche wird im Zusammenhang mit der Spiritualität meist abgewertet. Als Ziel eines geistliche Lebens wird in der Innerlichkeit gesehen, in der Hinwendung zum Eigentlichen des Ich. Rasch wird diese Denkweise auch als christlich etikettiert. Das ist aber nicht die Lehre Jesu.
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Transkript
Herzlichen Willkommen zur 23. Episode meines Podcasts „aus&aufbrechen“. Nach meiner langen Serie zum Thema Armut folgt heute wieder ein kurz Folge im bewährten Stil.
Innerlichkeit oder Äußerlichkeit – das ist hier die Frage: Das Wort „Äußerlichkeit“ hat oft schon so einen negativen Beigeschmack von Oberflächlichkeit. Die Gegenforderung ist die Innerlichkeit. Eine Innerlichkeit – so wird sie oft heute verstanden, die zum eigentlichen Selbst, zum inneren Wesenskern des Menschen führen, ja, zum inneren Kind führen soll. Oft genug steckt da ein moderner Eskapismus, eine Flucht vor den äußeren Gegebenheiten dahinter. Das Äußerliche ist nicht nur das Oberflächliche, sondern auch das Unveränderbare.
Jesus sieht das aber anders. Darum soll es heute gehen.
Bevor ich aber genauer darauf eingehe, möchte ich wie immer auf die Kontaktmöglichkeiten und meine Social-Media-Kanäle aufmerksam machen, denen du gern auch folgen darfst. Du findest sie in den Shownotes. Nachrichten und Kommentare nehme ich immer gern in Empfang. In den Shownotes findest du auch die alte Adresse meiner neuen Homepage, bei der du gern vorbeischauen und über die du dich für meinen Newsletter anmelden kannst.
Im Kontext christlicher Spiritualität spricht man manchmal von einer Spiritualität der Innerlichkeit. Man meint, Jesus hätte eine solche vertreten. So ganz stimmt das aber nicht. Eher liegen hier viele einem Missverständnis auf.
Dieser Spiritualität der Innerlichkeit stellt man nämlich die bloß äußerlichen Erfüllung von Geboten gegenüber. Tatsächlich kritisiert Jesus, wenn Menschen einfach äußerlich gewisse Gebote und Gesetze erfüllen, ihr Herz aber ganz anders denkt und empfindet. Menschen erfüllen im Äußeren einfach das, was von ihnen erwartet wird, was gesellschaftliche Konvention ist. Ja, sie tun das, was in den Augen der Vielen für Anerkennung sorgt, ohne die entsprechende Haltung dahinter. Es handelt sich also um unauthentische Menschen, die Jesus kritisiert. Ihre Handlungen haben nichts mit den Überzeugungen und Haltungen dieser Menschen zu tun.
Jesus, so meinen viele, habe demgegenüber besonders die Innerlichkeit betont. Aber das führt zu Missinterpretationen, von denen ich zwei nennen möchte:
Ein falsches Verständnis identifiziert die Innerlichkeit mit unseren Gefühlen und Emotionen. Demnach soll es bei Jesus darum gehen, das nach Außen zu leben, was wir innerlich fühlen. Ganz hoch im Kurs ist natürlich das Wohlfühlen. Ziel ist, dass sich der*die Einzelne wohl fühlt. „Handle so, dass du dich wohlfühlst“, heißt es dann. Oder ein anderer Imperativ: „Lebe deine Gefühle aus.“ Beide Imperative passen aber nicht zusammen, denn wer seine Gefühle auslebt, muss sich dabei nicht immer wohl fühlen.
Abgesehen davon, dass diese beiden Imperative dem Egozentrismus das Wort reden. Ich und meine Gefühle sind das Wichtigste und darüber gibt es keine Diskussion. Und abgesehen davon, dass der letzte Imperativ auch zerstörerisch wirken kann. Das hat Jesus nicht gemeint. Wenn er den Blick zunächst auf das Innere lenkt, dann geht es ihm nicht um Gefühle und Emotionen, sondern um Überzeugungen und Haltungen.
Er findet es heuchlerisch in seinen Handlungen etwas auszudrücken, was nicht der Überzeugung entspricht. Sein Imperativ würde also lauten: „Handle nach deinen Überzeugungen.“ Das bedeutet aber auch, dass man situativ abhängig auch schlechte Gefühle in Kauf nehmen muss, dass man einen inneren Widerstand spürt, dass man sich nicht wohl fühlt. Aber die Überzeugung sagt. „Es ist richtig!“ Und daher ist es auch zu tun.
Ich denke, ich muss keine Beispiele anführen, denn jeder und jede von uns kennt solche Situationen, wo wir aus Überzeugung mit schlechtem Gefühl gehandelt haben.
Ein anderes Missverständnis dieser Innerlichkeit ist die Ansicht, das Äußerliche wäre Jesus nicht mehr wichtig. Man brauche sich nur noch in sich zurückzuziehen, den inneren Haushalt in Ordnung bringen, innerlich Frieden finden usw. Das Äußerliche wäre nicht so wichtig, die äußeren Verhältnisse ohnehin von uns nicht beeinflussbar. Ja, manche würden sagen, das Äußere ist für unseren inneren Frieden hinderlich, sodass sie zum Kampf gegen das Äußere aufrufen, indem man sich noch mehr von der Welt abschottet.
Auch das hat Jesus ganz und gar nicht gemeint. Sicher: Er hat die äußeren Verhältnisse immer wieder angeprangert, dort, wo sich Reiche an den Armen bereichern, wo Mächtige andere unterdrücken, wo Menschen ausgegrenzt werden und ihnen Chancen zu einem entfalteten Leben genommen werden. Aber die Botschaft Jesu ist alles andere als die, sich von dieser Welt in sein Inneres zurückzuziehen, das Heil nur in seinem Inneren zu finden. Immer wieder ruft er auf, diese äußeren Verhältnisse nicht zu akzeptieren, sie umzugestalten, dagegen ein- und aufzutreten. Ja, sogar sein Leben dafür einzusetzen, dass endlich alle Menschen heilsame Begegnungen erfahren und ein befreites Leben in Frieden führen können. Das Bedarf des Engagements im Äußeren.
Jesus betont das Innerliche und meint damit unsere Überzeugungen und Haltungen. Gleichzeitig betont er die Ausrichtung auf das Äußere und meint damit das Ausleben, das Handeln gemäß unserer Überzeugungen. Er will, dass unsere Überzeugungen in unserem Handeln und Verhalten nach außen hin deutlich zum Ausdruck kommen und die Welt verändern hin zu mehr Gerechtigkeit und Friede.
Dabei geht es Jesus natürlich nicht um irgendwelche Überzeugungen. Er lässt nicht jede Überzeugung gleich gelten, wie wir es in unserer ach so toleranten Gesellschaft tun, die meint, jede Meinung wäre gleich richtig und wichtig. Vielmehr tritt er – wie schon gesagt – gegen die Mächtigen, die Ausbeuter und Unterdrücker auf. Er will klare Verbesserungen der gesellschaftlichen Strukturen gerade für den so genannten kleinen Mann, die kleine Frau und alle anderen, die klein gehalten und an den Rand gestellt sind.
Der Lobgesang Mariens drückt es besser aus als ich es kann. Dort heißt es:
Gott erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht / über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: / Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron / und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben / und lässt die Reichen leer ausgehen. Er nimmt sich seines Knechtes Israel an / und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, / Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
Lk 1,50-55
Was hier von Gott ausgesagt ist, ist zugleich auch die Forderung Jesu an uns. Er ruft uns auf, die ungerechten gesellschaftlichen Verhältnisse nicht zu akzeptieren, sondern an ihrer Veränderung zu bauen. Ich zitiere eine kurze Passage aus einer längeren Rede Jesu:
Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen, wo ihr nichts zurückerhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne und Töchter des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Lk 6,35f.