Karlheinz Six

Von Ort zu Ort durch die Bibel – die Stadt

Bild: Von Ort zu Ort durch die Bibel - Die Stadt

Viele Menschen finden in der Natur ihre Ruhe und ihren inneren Frieden. Wäre es da nicht naheliegend, wenn auch die Bibel im Garten die letzte Heimat des Menschen sieht? Nein! Denn das endgültige Zuhause finden Christen in der Stadt.

In dieser Advent-Serie behandle ich Orte in der Bibel, die auch als Metapher für das Ende der Welt dienen. So gehen wir Schritt für Schritt aus dem Garten hinaus durch die Wüste auf einen Berg bis wir endgültig in der Stadt landen.

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Transkript

Herzlich Willkommen zur 56. Episode.

Nach einer langen adventlichen Reise sind wir nun am Ende angekommen: in der Stadt. Wir waren im Garten, haben ihn verlassen, sind in die Wüste gegangen, dort auf den Berg gestiegen und sind nun in der Stadt angekommen.

Die Stadt als endgültige Heimat der Menschen. So heißt es im Hebräerbrief:

Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hinzugetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung.

Und etwas später:

Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern wir suchen die zukünftige.

Wir warten also auf die künftige Stadt. Diese ist nicht irgendeine Stadt auf irgendeinem Berg, sondern sie wird mit Jerusalem mit ihrem Berg Zion in Verbindung gebracht.

Darüber werde ich unter anderem in der heutigen Folge sprechen.

Was bedeutet „Stadt“ in der Bibel? Warum ist es gerade eine Stadt?

Mich persönlich fasziniert das. Weil es so anders ist als das, was wir uns heute erwarten. Wenn die Menschen heute an Ruhe und Frieden denken, dann sehen sie sich wohl eher in einem Garten oder auf einem Berg, vielleicht auch in einem Wald – jedenfalls irgendwo in der Natur. Aber eine Stadt, ein hektischer Ort, der ob dem Treiben der Menschen nie zur Ruhe kommt: Das soll ein Ort endgültigen Heils sein?

Dem möchte ich heute ein wenig nachgehen.

Bevor es aber losgeht, möchte ich mich bei allen treuen Hörerinnen und Hörern bedanken. Es freut mich, wenn ihr meine Folgen mit eurem Netzwerk teilt, sodass sie auch andere hören können. Nachrichten von euch und Kommentare auf meiner Webseite lese ich immer gern. Ganz herzliches Danke an all jene, die mich über ko-fi oder PayPal auch finanziell unterstützen. Das hilft mir, meine Online-Angebote nicht durch lästige Werbung finanzieren zu müssen.

Und jetzt geht’s los.

Heute denken wir in den Gegensätzen Stadt und Land. Wir sprechen von Landflucht und Stadtflucht und vom Speckgürtel der Städte. Manche lieben es, in der Stadt zu wohnen, weil die Wege kurz sind, weil diese Wege mit öffentlichen Verkehrsmittel gut erreichbar sind, weil es dort ein bestimmtes Angebot an Schulen, Arbeitsstellen oder Kunst und Kultur gibt usw.

Aus ebenso vielen Gründen wollen andere wiederum am Land leben: wegen der Natur, der Ruhe oder weil sie dort Tätigkeiten nachgehen können, die in der Stadt unmöglich sind.

Das ist für mich schon das erste Interessante: dass nämlich dieser Gegensatz in der Bibel eigentlich keine Rolle spielt. Wenn man schon von einem Gegensatz sprechen möchte, dann ist es der von Garten und Stadt.

Und beide verbindet auch etwas: In der Folge dazu habe ich schon gesagt, dass der Garten kein natürliches Ergebnis, sondern ein Kulturprodukt ist. Die Natur legt keinen Garten an, sondern der Mensch, der in die Natur mehr oder weniger planend eingreift.

Das ist auch bei der Stadt so: Sie wächst auch nicht aus der Natur heraus. Sie wird vom Menschen mehr oder weniger geplant. So gibt es ganze Städte, die am Reißbrett entstanden sind: wie z. B. Brasilia in Brasilien, Canberra in Australien, Neu-Dehli in Indien oder Washington D. C. in den USA. Um nur einige zu nennen. Auch in Österreich haben wir solche Städte: wie Hartberg, Wiener Neustadt oder die Seestadt Aspern.

Heute spricht man auch von Stadtplanung und geplanter Stadtentwicklung. Wir wollen Smart-Cities und die „15-Minuten-Stadt“. Das alles entsteht nicht von selbst, sondern muss gut überlegt werden. Hier gilt es auch negativen gesellschaftlichen Trends entgegenzuwirken und positive zu fördern: gegen die Alterseinsamkeit, für mehr Gemeinschaft, für die Unterstützung von Familien, für eine ökologische Lebensweise, für behindertengerechte Wohnmöglichkeiten usw.

Im Vergleich mit dem Garten gibt es aber zumindest zwei wichtige Unterschiede:

  1. leben in der Stadt mehr Menschen auf engerem Raum als in einem Garten, in dem man heutzutage gar nicht mehr lebt, sondern sich nur zeitweise aufhält. Mehr Menschen bedeutet auch mehr Konflikte und daher auch mehr Regelungen und mehr Kompromisse. Um nur ein Beispiel zu nennen, so streiten wir heute, wer in einer Stadt welchen Raum einnehmen darf: die Autos, die Radfahrer, die Fußgänger, Parks, Bäume und Grünanlagen oder Einkaufszentren, Straßen und Parkplätze, konsumfreie Zonen oder die Tische der Cafés auf dem Gehweg und den Plätzen.
    Interessanterweise zeigt dieses Mehr an Menschen nicht gleich ein Mehr an Solidarität. Vielmehr steigt die Anonymität mit steigender Einwohnerzahl. Anoymität ist per se noch nichts Schlechtes, führt aber auch zur Vereinzelung bis hin zum einsamen Tod, bei dem man durchaus tagelang unentdeckt in der Wohnung liegen kann.
    Also haben wir in der Stadt das seltsame, paradoxe Phänomen: Je mehr Einwohner, desto mehr vereinzeln sich die Menschen.

  2. Der zweite Unterschied zum Garten ist, dass der Bau einer Stadt eine höheren technische Entwicklung voraussetzt. Wenn die Bibel also die Stadt als endgültigen Wohnort der Menschen als Metapher verwendet, dann bewertet sie auch diese technische Entwicklung zunächst positiv. Technischer Fortschritt per se ist nichts Negatives.
    Damit ist aber auch mitgesagt: Es ist positiv, wenn der Mensch sich über die Natur erhebt und durch technische Mittel sich seinen Lebensraum immer stabiler baut, damit er den zerstörerischen Kräften der Natur nicht schutzlos ausgeliefert ist. Von diesen Kräften habe ich schon in der Garten-Folge gesprochen.
    Es sollte deutlich sein, dass die Bibel damit natürlich keine exzessive Naturvernichtung meint, wie wir sie heute erleben. Heute schätzt man die Weltbevölkerung zur Zeit Jesu auf bis zu 300 Millionen Menschen; für Palästina gehen die Schätzungen bis maximal 600.000 Menschen. Diese konnten die Natur sicher nicht derart vernichten, wie die 8 Milliarden, die wir heute haben. Natur war damals für die Menschen Lebensgrundlage, zugleich aber auch Gefahr. Und vor dieser Gefahr wollte man sich durch Häuser- und Städtebau schützen.

Wenn wir an den Anfang der Bibel schauen, dann wird die Stadt relativ schnell Thema. Gehen wir nochmals in den Garten zurück, besser gesagt, an die Stelle, wo Adam und Eva aus dem Garten vertrieben werden. Wo genau sie sich niederließen, wird nicht gesagt, nur dass es östlich des Gartens ist.

Sie schenkten zwei Söhnen das Leben: Der erste war Kain und wurde wie sein Vater Ackerbauer. Der zweite war Abel und er wurde Schafhirte. Mit Abel kam also eine neue Form der Existenzsicherung ins Spiel.

Die nun folgende Geschichte kennt man: Kain erschlug den Abel. Im Angesicht Gottes sah Kain seine Schuld ein. Er bekannte, dass er von Gott vom Erdboden vertrieben wurde. Er bekam es mit der Angst, weil ihn nun jeder töten konnte. Gott aber beschützte ihn: Er gab ihm ein Mal auf die Stirn – das Kainsmal –, dass jedem signalisieren sollte, dass Kain nicht getötet werden darf.

Die Geschichte geht weiter: Kains Frau wurde schwanger und gebar Henoch. Daraufhin baute Kain eine Stadt, die er nach seinem Sohn Henoch nannte. Henoch bedeutet so viel wie „der Eingeweihte“ oder „geweiht“.

Über diese Stadt ist nichts weiter bekannt. Aber es ist interessant, dass es nach dem Garten der erste Ort ist, der als Niederlassung des Menschen erwähnt wird.

Bedeutend ist dabei, dass damals Städte immer Orte des Schutzes waren. Um Städte herum baute man Mauern, um fremde Angreifer abzuhalten. Eine kleine Ansammlung von Häusern war ja fremden Mächten hilflos ausgeliefert, zumal es da auch keine Soldaten gab. Alles das gab es in den Städten.

In der Geschichte um Kain ist also der Schutz ein wichtiges Element: Gott schützt Kain, damit er nicht getötet wird, und Kain baut eine Stadt, die seine Familie und viele andere Menschen schützen soll. Die Stadt ist also der Ort, der Menschen sowohl vor den zerstörerischen Kräften der Natur als auch den vernichtenden Angriffen von Menschen Schutz bietet.

Wir finden in der Bibel zahlreiche bedeutende Städte für die Geschichte Israels und des Christentums. Ich möchte da nicht alle aufzählen. Jedenfalls gibt es manche Städte, die keinen besonders guten Ruf haben. So etwa Babel, in der man einen Turm bauen wollte, um in den Himmel zu gelangen. Oder Sodom und Gomorra, die bekannt für ihre Sündhaftigkeit waren.

In diesem Zusammenhang kann man auch Ninive erwähnen. Auch sie lebte ein sündhaftes Leben. Daher schickte Gott den Propheten Jona, der die Umkehr verkünden sollte. Er tat es und tatsächlich kehrte die Stadt um, erkannt ihre Sünden und bat Gott um Vergebung. Das ärgerte Jona aber dermaßen, weil er nicht verstand, warum Gott die Stadt nicht einfach vernichtete. Gott aber hing an den Menschen; er will deren Tod nicht.

Und ich möchte noch eine Stadt nennen, die keinen Namen trägt: In der erste Advent-Folge, in der ich über den Garten gesprochen hatte, erzählte ich auch vom Hohenlied. Auch dort gibt es einen Stadt-Garten-Gegensatz. Während nämlich die Geliebte innerhalb der Stadt der männlichen Dominanz und Gewalt hilflos ausgeliefert ist, findet sie im Garten bei ihrem Geliebten Schutz und Sicherheit.

Wir haben es hier also mit Städten zu tun, in denen es innerhalb der Mauern nicht gerecht zugeht. Sie sind zwar geschützt von außen, bieten aber innerhalb keinen Schutz für die Menschen. Die Umkehr der Stadt Ninive stellt diesen Schutz für die Bewohner:innen wieder her. Im Hohenlied bleibt hingegen nur die Flucht in den Garten.

Die bedeutendste Stadt in der Bibel ist aber zweifellos Jerusalem. Und da bin ich jetzt etwas in der Zwickmühle. Denn die Entwicklung dieser Stadt hat eine so reichhaltige Geschichte, die ich hier nicht wiedergeben kann. Ich möchte aber versuchen, ein wenig der biblischen Bedeutung dieser Stadt nachzugehen.

Fangen wir bei König David an. Er wurde im 11. Jahrhundert vor Christus in Betlehem geboren, die daher auch Stadt Davids genannt wird. Er wurde zum König von Israel erwählt. Damals war Jerusalem allerdings nicht von den Israeliten bewohnt, sondern von den Jebusitern. Dies änderte sich mit David, der Jerusalem eroberte. Die Gründe dafür sind vielfältig: So war Jerusalem ein neutraler Ort, der nicht unter die Herrschaft eines der zwölf Stämme Israels stand. Es hatte eine zentrale Lage. Außerdem wollte David Jerusalem zum bedeutendsten religiösen Zentrum entwickeln.

Also auch hier gibt es schon geplante Stadtentwicklung. Daher hat David die Bundeslade nach Jerusalem gebracht und dort am Tempelberg in ein Zelt gestellt.

Hier halten wir kurz inne: Die Bundeslade war der zentrale kultische Gegenstand Israels. In ihr befanden sich lt. Überlieferung die Steintafeln der Zehn Gebote, die Mose erhalten hatte. In der Zeit zwischen der Wüstenwanderung unter Mose und der Verbringung der Lade nach Jerusalem unter David, gab es zahlreiche Orte, an denen die Bundeslade untergebracht wurde. Es gab sogar einmal eine Zeit, in der sie in die Hände der Feinde, nämlich der Philister, fiel.

Diese Bundeslade wurde von David in Jerusalem in einem Zelt untergebracht: Das verweist zurück auf die Wüstenwanderung, wo das Heiligtum auch im Zelt untergebracht war: Der Gott Israels ist ein Wandergott. Aber nicht nur das: Seine Herrlichkeit ist so groß, dass seine Präsenz beschränkt und in einem Zelt verborgen bleiben muss. Wer seiner Herrlichkeit ausgesetzt wird, muss sterben. Das habe ich schon in der letzten Episode ein wenig ausgeführt.

Und schließlich ist noch etwas wichtig: Das Zelt Davids steht auf einem Berg. In Jerusalem, der Stadt, steht ein Berg. Jetzt wird vielleicht deutlich, warum wir diesen Weg gegangen sind: Vom Garten durch die Wüste auf einen Berg bis in die Stadt. Die endgültige Stadt, von der Christen sprechen, ist nicht ohne Berg denkbar.

Gehen wir aber zur Geschichte zurück: Der Tempelberg wird auch Zion genannt. Dieses Wort haben sicher schon einige gehört. Der Sohn von David, nämlich Salomo, wurde auch König von Israel. Er ließ den ersten Tempel bauen, in dem das Heiligtum untergebracht wurde.

So wurde Jerusalem zum politischen und religiösen Zentrum. Sie ist die Stadt, in der der Thron steht, in der der Tempel steht, von wo aus also ganz Israel verwaltet und regiert wird. Sie ist das Symbol für die Einheit der 12 Stämme Israels. Und mit dem Tempel ist auch Gott in dieser Stadt präsent.

Und weil David die Grundlage für all das geschaffen hat, gilt auch Jerusalem als Stadt Davids.

Für den Evangelisten Lukas ist Jerusalem so bedeutend, dass er den Weg Jesu und der ersten Christen vom Zentrum Jerusalem aus denkt: Jesus geht in seinem Evangelium von Galiläa im Norden in den Süden nach Jerusalem. Dort stirbt er, dort steht er auf, erscheint seinen Jünger:innen und sendet sie aus. Damit weicht er von Markus und Matthäus ab, die Galiläa als Zentrum betrachten: Bei ihnen stirbt Jesus zwar auch in Jerusalem, erscheint dann aber in Galiläa.

Für Lukas ist Jerusalem auch das Zentrum, von dem die Mission der ersten Christen ausgeht. Dort bildete sich die erste christliche Gemeinde, die dann bis an die Randgebiete der damals bekannten Welt ging.

Eine solche Stadt kann – wie viele andere Städte auch, siehe Sodom, Gomorra und Ninive – zum Ort der Dekadenz und Ungerechtigkeit werden. So klagt der Prophet Jesaja, dass in Jerusalem die Witwen und Waisen nicht mehr zu ihren Recht kommen. Jesaja spricht von Korruption und bezeichnet die Unrechttuer als Mörder.

Jerusalem, von dem eine gute Verwaltung des Landes ausgehen, dessen religiöse Kraft in das ganze jüdische Gebiet ausstrahlen soll, die Stadt, in der die Bewohner:innen Schutz und Sicherheit erhalten sollen, ist zum Ort der Niedertracht geworden.

Und deshalb kündigt Jesaja auch an, dass Gott in Jerusalem dem Recht wieder Geltung verschaffen wird. (Jes 1)

Wir sehen also, wie wichtig Jerusalem für den jüdischen Glauben ist, in dem auch Jesus aufgewachsen ist und vor dessen Hintergrund die biblischen Autoren schreiben. So kommt auch der Prophet Johannes, der die Offenbarung, das letzte Buch der Bibel, geschrieben hat, auf Jerusalem zu sprechen.

In seinen Visionen schildert er einen Kampf des Guten gegen das Böse. Und wie man schon vermuten kann, siegt das Gute. Nach diesem Sieg wird Gott das neue Jerusalem errichten.

Nach Johannes wird also kein neuer Garten Eden aufgebaut, in dem es wieder zurück zur Natur geht. Das geht auch gar nicht, da der Garten selbst schon ein Kulturprodukt ist.

Wie auch immer: Im 21. Kapitel kannst du die genaue Vision über die Stadt Jerusalem nachlesen. Dabei ist es wichtig, diese Darstellung als Sinnbild zu lesen. Also als ein Bild, dass einen bestimmten Sinn vermitteln will. Die Vision ist nicht als Abbild, als eine Beschreibung eines Fotos einer zukünftigen Wirklichkeit zu verstehen. Vielmehr ist die Vision der Versuch, eine Bedeutung in Worte zu fassen, die nur schwer sprachlich wiedergegeben werden kann.

Du kannst diese Vision in jeder Bibel nachlesen. Ich werde sie aber auch auf meine Webseite zu dieser Episode stellen.

Jetzt möchte ich dir ein paar Hinweise geben, was uns diese Vision des neuen Jerusalems vermitteln will:

  1. Gott schafft alles neu. Schon im ersten Vers wird vom neuen Himmel und der neuen Erde gesprochen, denn das alte ist vergangen. „Das Meer ist nicht mehr“, heißt es da. Das Meer ist Sinnbild für den Ort des Bösen, der Dämonen. Diese sind endgültig überwunden. Es gibt weder innerhalb noch außerhalb Böses, Feinde und das Leben der Menschen bedrohende Kräfte und Mächte.

  2. In Vers 3 wird in der katholischen Übersetzung von der „Wohnung Gottes“, in der evangelischen Übersetzung von der „Hütte Gottes“ gesprochen. Gemeint ist aber eigentlich das „Zelt Gottes“.
    Worum geht’s: Gott wird direkt in Jerusalem zelten. Genauer gesagt: Einen Tempel gibt es in Jerusalem nicht mehr (V22), sondern die ganze Stadt wird von Gott erfüllt sein (V11). Die ganze Stadt ist also das Zelt Gottes. Daher braucht es keine Sonne und keinen Mond mehr, denn Gottes Licht erhellt alles (V23). Gott ist nun für alle Menschen zugänglich. Er muss nicht mehr abgegrenzt werden, damit man am Leben bleibt. Vielmehr ist jetzt die Zeit des unmittelbaren Lebens in der Gegenwart Gottes.
    Ganz Jerusalem ist nun das Zelt Gottes. Mit dem Wort „Zelt“ verweist die Vision wieder zurück in die Zeit der Wüstenwanderung. Auch am Ende, wo man in der endgültigen Heimat angekommen ist, bleibt Gott ein Wandergott. Er bleibt auf diese Vergangenheit bezogen.

  3. In weiterer Folge wird eine ideale Stadt vorgestellt – mit vollkommenen geometrischen Formen, mit vollkommenen Zahlenverhältnissen und mit vollkommener Schönheit, die funkelt wie Edelsteine.
    Die Stadt ist quadratisch angeordnet. Das Quadrat ist neben dem Kreis und dem Würfel in der Antike ein vollkommene Form. Die Stadt ist von Stadtmauern umgeben, die den Bewohner:innen Schutz bietet. Man kann fragen: Wozu braucht man noch Stadtmauern, wenn es das Böse nicht mehr gibt? Die Antwort ist ganz einfach: Weil die Stadt dennoch vollkommen offen ist. Die Stadttore werden niemals geschlossen sein (V25). Die Stadtmauern symbolisieren den Schutz Gottes, der dadurch schützt, indem er das Böse vernichtet hat. Daher können nun die Stadttore offen bleiben.
    In allen vier Himmelsrichtungen werden je 3 Stadttore eingerichtet. Hier haben wir es mit der Zahl 3, die für Gott steht, und der Zahl 4, die für die Erde steht zu tun. Es gibt also 12 Stadttore, die für die 12 Stämme Israels stehen.
    Die Stadt hat auch 12 Grundsteine. Diese stehen für die 12 Apostel.

  4. Diesen Hinweis hatten wir schon in der Folge über den Berg: Dort stellte Johannes die Vision der 144.000 Geretteten vor, die beim Lamm auf einem Berg sind. Auch hier verbirgt sich die Zahl 12 zweimal, denn 12 mal 12 ist 144. Und 1000 ist eine Bezeichnung für „Viele“.
    Diese Vision will also sagen, dass die Christen immer bezogen bleiben auf die 12 Stämme Israels und die 12 Apostel.
    Zugleich ist auch der Berg wichtig, denn auch das neue Jerusalem wird um einen Berg herum gebaut, als Zeichen der ewigen Gegenwart Gottes, von dem nun alles Recht ausgeht.
    Jetzt können wir auch die anderen Zahlen nachvollziehen: Die Stadt selbst ist in Breite, Länge und Höhe vollkommen gleich, nämlich 12.000 Stadien lang. Stadium ist eine alte Maßeinheit. Also haben wir auch hier wieder Quadrate bzw. einen Würfel.
    Die Stadtmauer selbst ist 144 Ellen hoch. Also wieder 12 mal 12.

  5. Die Stadt Jerusalem wird aber nicht nur für Juden und Christen da sein. Sondern in ihr werden sich alle Völker befinden (V24). Jerusalem wird ein Ort des Friedens aller Menschen sein. Schließlich bedeutet der Name „Jerusalem“ wörtlich übersetzt „Erbe des Friedens“.
    Ein Ort aller Menschen? Nach der Vision des Johannes nur jener Menschen, die wieder auferstehen. Das werden jene sein, die im Buch des Lebens verzeichnet sind. Es würde aber jetzt zu weit führen, das ganz genau zu deuten, was damit gemeint ist. Kurz gesagt sind in diesem Buch alle verzeichnet, die Jesus als Herrn und Retter annehmen und gute Werke tun.
    Es werden also in der Offenbarung alle ausgeschlossen, die nicht an das Lamm Jesus glauben. Diese Vorstellung ist aber sehr umstritten und müsste länger diskutiert werden. Vielleicht mache ich dazu einmal eine eigene Podcast-Folge.

Sieht man abschließend einmal davon ab, dass Johannes auch denkt, dass manche Menschen ausgeschlossen sind, besagt die Vision des neuen Jerusalem folgendes: Dieses Jerusalem, das Sinnbild für unsere endgültige Heimat, ist gekennzeichnet durch absolute Vollkommenheit. Es wird ein Leben sein, in dem alle Wunden, alle Trauer geheilt sein werden. Es wird nichts mehr Böses geben, keine Unrecht, keinen Mord, kein Diebstahl, keine Vergewaltigung. Alle Menschen werde in Frieden miteinander und in Gottes Gegenwart leben. Alle Menschen haben direkten Zugang zu Gott und können dennoch am Leben bleiben, denn es ist das Leben in Fülle.

Nacht wird es dort nicht mehr geben.

Und die Stadt wird mit aller Schönheit ausgestattet sein.

Und man wird die Pracht und die Kostbarkeiten der Völker in die Stadt bringen.

Mit anderen Worten: Das neue Leben, das uns geschenkt wird, wird nicht nur ein Leben im inneren und äußeren Frieden, sondern auch ästhetisch eine Augenweide sein.

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