Afrikanischer Jesus - Diakon Karlheinz Six

Karlheinz Six

Wie Gott lieb ist

Bild: Wie Gott lieb ist

„Gott ist Liebe“ – diesen Satz kann ich schon gar nicht mehr hören. Er wird heute auf eine Art und Weise ausgelegt, wie er dem eigentlich Sinn völlig widerspricht. Ich zeige dir, was er wirklich bedeutet.

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Transkript

Herzlich Willkommen zur 46. Folge meines Podcasts „aus&aufbrechen“. Dem Podcast für eine offene und kritische christliche Spiritualität.

„Gott ist Liebe“ – Ich kann diesen Satz schon gar nicht mehr hören. Überall tönt es nur noch, dass Gott alle Menschen liebt, dass wir alle in ihm geborgen sind, dass er uns nahe ist. Gott ist einfach nur super.

Bei mir löst der Satz aber mittlerweile schon ziemliche Aggressionen aus. Er löst also das Gegenteil von dem aus, was er bewirken will. Eigentlich aber löst das nicht der Satz selbst aus, sondern eher wie er heute verstanden wird. Das hat auch viel damit zu tun, wie er betont wird und in welchem Kontext die Sprecher*innen ihn aufgreifen. Das hat nämlich fast nie etwas mit dem zu tun, worum es bei diesem Satz geht. Ja, die Bedeutung wird in das Gegenteil dessen verkehrt, was er urspünglich aussagen will.

Genau darum soll es in dieser Episode gehen.

Wenn du mir deine Liebe erweisen willst – kleiner Scherz am Rande –, dann kannst du meine Arbeit auch finanziell über ko-fi oder Paypal unterstützen. Ich mache ja diesen Podcast und meinen Blog „ziellos unterwegs“ in meiner Freizeit und finanziere daher alles privat. Mehr Infos dazu in den Shownotes. Dort findest du auch Kontaktmöglichkeiten. Denn ich freue mich immer über Kommentare. Gern kannst du auch auf meiner Webseite vorbeisehen.

Zu Beginn möchte ich mal in ein paar Punkten zusammenfassen, wie dieser Satz häufig verstanden wird, wie also heute von der Liebe Gottes gesprochen wird.

  1. Des Öfteren hört man den Satz „Gott ist die Liebe“. So lautet der Satz in der Bibel aber nicht. Er lautet „Gott ist Liebe“. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Die fehlerhafte Übersetzung kommt sogar in der Enzyklika „Deus caritas est“ von Papst Benedikt XVI. vor.

    Wie kommt es zu dem Fehler, denn das ist leicht erklärbar. Der Satz „Gott ist Liebe“ steht im Neuen Testament. Das ist bekanntlich in Griechisch geschrieben. Das Griechische kennt bestimmte Artikel. Wenn der Autor also gemeint hätte, Gott ist die Liebe, hätte er einen bestimmten Artikel gesetzt. Hat er aber nicht.

    Wenn man den griechischen Satz ins Lateinische übersetzt, dann heißt er „Deus caritas est“. Das ist richtig übersetzt. Allerdings kennt das Lateinische keine Artikel. Übersetzt man also vom Lateinischen ins Deutsche, muss man überlegen, ob ein und welcher Artikel zu setzen ist. Es ist also richtig, wenn man „deus caritas est“ mit „Gott ist die Liebe“ übersetzt. Genauso richtig wäre aber auch „Gott ist eine Liebe“ oder „Gott ist Liebe“. Nur wer auf den griechischen Ursprungstext schaut, wird merken, dass nur die letzte Variante den ursprünglichen Sinn richtig wiedergibt.

    Ich komme später auf den Bedeutungsunterschied zu sprechen.

  2. Nach diesem kurzen Exkurs komme ich zum zweiten Punkt. Viele verstehen den Satz so, dass er von einem Gefühl spricht. Gott wird das Gefühl der Liebe zugesprochen und natürlich ist damit seine Liebe zu uns Menschen gemeint. Auf unserer Seite müsste ebenso ein Gefühl oder ein Gespür entstehen. Viele sprechen dann davon, dass sie die Liebe Gottes spüren oder dass man sich öffenen soll, damit man die Liebe Gottes spürt.

    Diese Liebe ist damit nichts, was mit der Vernunft oder mit dem Handeln oder dergleichen zu tun hat. Wir verbannen die Liebe Gottes auf die Gefühlsebene.

  3. Das beinhaltet oft auch, dass sich viele leicht tun, alles mögliche in diese Liebe hineinzuprojizieren. Gott wird zum vollkommen liebenden Ideal, der genau das erfüllt, was auch immer ich mir unter Liebe vorstelle. An vielen Stellen wird diese Liebe schwärmerisch romantisiert. Gott ist dann immer lieb, immer nett, immer da, immer hilfsbereit, niemals gemein zu uns, niemals strafend, niemals zurechtweisend. Er nimmt uns an, wie wir eben sind. Ach, ist das schön.

    Es ist damit kein Gott, der überrascht, der mich herausfordert, der mich korrigiert, der mich zur Umkehr ruft.

  4. Und damit hat dann gleich der nächste Punkt zu tun: Viele verstehen nicht, dass man überhaupt noch von Sünde und Schuld sprechen kann, wenn man gleichzeitig einen liebenden Gott predigt. Wenn Gott uns so liebt, wie wir sind, dann spielen doch Sünde und Schuld keine Rolle mehr. Da kann doch Gott ganz galant und eloquent über meine Fehler hinwegsehen. Also Schluss mit den moralisierenden Sündenpredigten.

  5. und letzter Punkt: Das alles hat damit zu tun, dass der Satz aus seinem ursprünglichen Kontext gerissen wird. Viele wissen gar nicht so genau, wo dieser Satz überhaupt steht. Und damit weiß man auch nicht, was er in diesem Ursprungskontext bedeutet. Daher ist der Beliebigkeit im Verständnis dieses Satzes Tür und Tor geöffnet und er wird in das komplette Gegenteil dessen verkehrt, was er eigentlich bedeuten soll.

Ihr habt vielleicht schon herausgehört, dass ich ganz und gar nicht mit dem einverstanden bin, wie dieser Satz im Allgemeinen interpretiert wird. Um den eigentlich Sinn zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, wo dieser Satz überhaupt steht.

Nämlich im ersten Brief, der dem Apostel Johannes zugeschrieben wird. Der Brief selbst nennt nämlich keinen Autorennamen, sondern scheint sogar zu verstehen zu geben, dass er von einem Autorenkollektiv geschrieben wurde.

Dieser Satz „Gott ist Liebe“ steht nur in diesem Brief, sonst nirgends. Dort steht er aber zweimal und zwar im vierten Kapitel. Es ist wichtig, diesen Satz im Kontext des Briefes zu verstehen. Und eine andere, gar gegenteilige Bedeutung soll er nicht erhalten.

Ich werde übrigens nicht aus dem Brief zitieren, sondern möchte ermutigen, dass ihr den Brief selber einmal durchlest. Er ist ja sehr kurz. Und ihr werdet noch viel mehr Interessantes finden als das, was ich in dieser Folge sage.

Um den Kontext besser zu verstehen, muss ich über den Anlass des Briefen erzählen. Dieser ist nur indirekt zu erschließen: Innerhalb der Gemeinde, an die der Brief gerichtet ist, gab es Konflikte. Der Autor spricht von Antichristen. Damit ist nicht der Teufel oder die Dämonen gemeint, sondern jene Gemeindemitglieder, die sich gegen Christus stellen. Der Konflikt dürfte nämlich auf mehreren Ebenen abgelaufen sein.

Einerseits hat es scheinbar Gemeindemitglieder gegeben, die Jesus nicht als den Retter, den Christus anerkannt haben. Sie waren gegen Christus, also Antichristen.

Andererseits dürfte es auch zu Problemen in Bezug auf Besitz gekommen sein: Die einen haben Besitz und prahlen sogar damit, während andere Gemeindemitglieder Not leiden.

Man kann sich das vielleicht so vorstellen: Der Konflikt innerhalb der Gemeinde eskalierte und verunsicherte viele Christen. Daher schreibt nun der Gemeindegründer einen Brief, um jene Christen zu stärken, die an Jesus als den Retter festhalten, aber auch um bestimmte Verhaltensweisen zu korrigieren.

Und in diesem Kontext spricht der Autor auch von Sünde. Für ihn ist die Liebe Gottes kein Grund, nicht von der Sünde zu sprechen. Vielmehr zeigt die Liebe Gottes die Sünde der Menschen erst auf. Ich komme darauf nochmals zurück.

An dieser Stelle möchte ich nur sagen: Gerade angesichts der Not vieler Menschen ist es von zentraler Bedeutung, von Sünde zu sprechen, wenn die Reicheren von ihrem Besitz nichts hergeben wollen. Was der Autor für die Gemeinde formuliert, das kann heute für die ganze Welt gelten. Nicht mehr von Sünde und Schuld zu sprechen, macht uns auch sprachlos der Ungerechtigkeit gegenüber, dass der Reichtum der Welt auf wenige verteilt ist, während Millionen von Menschen in Armut leben und gequält werden von Hunger und Krankheiten. Erst, wer die Liebe Gottes verstanden hat, wird darin ein Unrecht erkennen und es auch klar und deutlich benennen können.

Wir müssen jetzt zwei Grundsätze zusammendenken, die dem Autor wichtig sind. Der erste Grundsatz ist eben „Gott ist Liebe“. Der zweite Grundsatz ist: „So wie Gott ist, so müssen auch wir zueinander sein.“

Zuerst ist es also von Bedeutung zu verstehen, was es bedeutet, dass Gott Liebe ist.

Und er ist nicht „die Liebe“. Worin liegt der Unterschied?

Sage ich „Gott ist die Liebe“ setze ich voraus, dass es nur eine Liebe gibt und diese eine Liebe ist mit Gott identisch. Ob ich sage „Gott ist die Liebe“ oder ob ich sage „Die Liebe ist Gott“, ist dann gleichbedeutend. Gott ist dann kein personales Gegenüber mehr, sondern einfach eine bestimmte Art, wie wir Menschen zueinander stehen. Das wollte der Autor des Briefes aber nicht sagen.

Er wollte das Wesen Gottes charakterisieren. Er wollte die Frage beantworten: „Wer ist Gott?“ Und in seinem Brief macht er sogar zwei Aussagen darüber: „Gott ist Licht“ und „Gott ist Liebe“. In diesem Satz kann ich die Satzglieder nicht mehr vertauschen. Denn er ist die Antwort auf die Frage: „Wer ist Gott?“

Unter Liebe versteht der Autor aber alles andere als ein Gefühl. Die Liebe – und das sagt der Brief ausdrücklich – besteht im Handeln Gottes. Es geht in dieser Liebe nicht darum, dass Gott ganz starke Gefühle für uns hat, sondern dass er auf eine bestimmte Art und Weise gehandelt hat. Konkret meint der Brief: Gott hat seinen Sohn gesandt, um uns zu retten. Die Liebe besteht also in diesem Rettungshandeln Gottes. In nichts anderem.

In Hinblick auf den Notleidenden sei gefragt: Was hat ein Notleidender, wenn ich ihm sage, Gott liebt dich? Wie überheblich ist das eigentlich, zu einem Armen zu sagen, Gott hat ganz starke Gefühle der Liebe zu dir? Du musst nur dein Herz öffnen und du wirst das spüren. Und so wie Gott dich liebt, so habe auch ich große Liebe für dich.

Nein, diese arrogante, wirkungslose Gefühlsduselei hat der Autor des Briefes nicht im Sinn. Bei der Liebe geht es nicht um Gefühle in Bezug auf den anderen, sondern darum, den Notleidenden ganz handfest zu helfen.

Wenn es also heißt, die Gemeinschaft soll so handeln, wie Gott an uns gehandelt hat, nämlich rettend, dann bedeutet das, dass es in einer christlichen Gemeinde keine Notleidenden geben darf. Meine Gefühle spielen da keine Rolle. Der Notleidende leidet Not, egal ob ich ihn mag oder nicht. Und seine Not ist zu beseitigen, egal ob ich ihn mag oder nicht. Darin besteht meine Liebe zu diesem Notleidenden, indem ich seine Not beseitige, egal welche Gefühle ich für ihn hege.

Der Brief sagt: Dem Notleidenden nicht zu helfen, das ist Sünde. Wer nicht hilft, wandelt nicht in der Liebe, wandelt nicht im Licht. Er hasst seinen Bruder und wandelt in Finsternis. Er ist der Mörder seines Bruders.

Die Liebe Gottes führt den Autor zu solch starken Worten. Sie verheimlicht die Sünde nicht, sie geht nicht galant über sie hinweg, sondern sie deckt sie auf und zeigt den eklatanten Verstoß gegen diese Liebe auf.

Diese Liebe ist, wenn ich sie ernst nehme, eine Herausforderung für mich. Sie stellt mich vor die Frage, wo ich mich gegen diese Liebe versündige, weil ich die Not des anderen nicht lindere. Weil ich zum Beispiel an meinem Überfluss festhalten will, weil ich auf meine Privilegien nicht verzichten will. Oder weil ich Existenzsorgen habe, wo ich übersehe, dass ohnehin alles reichlich vorhanden ist. Dass ich mir keine Sorgen machen muss, weil ich einfach auch vertrauen kann, dass für mich gesorgt ist, sodass auch ich für andere sorgen kann.

Wer in emotionaler Schwärmerei von der Liebe Gottes spricht, hat meist nur sich selbst in Bezug auf Gott im Blick. Damit schließt er schon den anderen aus seiner Betrachtung aus. Und schon ist er in der Sünde. Das gegenwärtige verbreitete Verständnis von der Liebe Gottes verführt uns zur Sünde.

Die wahre Liebe Gottes führt dazu, dass ich von mir wegsehe, dass es mir nicht darum geht, dass ich von Gott geliebt werde. Vielmehr wendet die wahre Liebe den Blick auf den anderen, den Notleidenden. Darin erweist sich die Liebe, das Wandeln im Licht.

Die Sünde ist die Macht, die mich, die mein Herz vor der Not des anderen verschließen lässt. Sie lässt der Liebe Gottes und der Liebe unter den Menschen keinen Raum, sie erstickt das Licht Gottes in mir und lässt mich in Finsternis wandeln.

Der Autor des Briefes setzt aber voraus, dass ich von mir aus Kraft genug habe, vielleicht gestärkt durch die Kraft Gottes, mich gegen diese Sünde zu stellen, mein Herz zu öffnen und mich mehr um den Notleidenden zu sorgen als um mein eigenes Leben.

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