Karlheinz Six

Wunder Jesu: ein existenzielles Verständnis – Teil 2

Bild: Wunder Jesu. Ein existenzielles Verständnis

In der ersten Folge habe ich die Wunderverständnisse dargestellt, die ich für problematisch halte. In dieser Folge zeige ich anhand von ausgewählten Beispiele, wie ich die Wunder Jesu verstehe. Sie zeigen uns eine tiefere und existenziellere Botschaft, als bei einem oberflächlichen Lesen deutlich wird.

Hier die Links zu den von mir genannten Podcast-Episoden:

Der unsympathische Jesus

Nachfolge unmöglich

Link zum Buch

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Transkript

Herzlich Willkommen zur 45. Folge meines Podcast „aus&aufbrechen“. Dem Podcast für eine offene und kritische christliche Spiritualität.

In der letzten Episode habe ich über Wunder Jesu gesprochen und davon, wie diese oft verstanden werden. Ich habe sechs verschiedene Wunderverständnisse vorgestellt. Und ich habe so geendet, dass keines dieser Verständnisse die existenzielle Bedeutung der Wunder ernst nimmt und damit auch völlig an dem vorbeigeht, wer uns begegnet, wenn uns Jesus begegnet. Wenn du also die letzte Episode noch nicht gehört hast, empfehle ich dir, diese zuerst zu hören.

In dieser Folge komme ich auf einzelne Wundergeschichten zu sprechen. An ein paar Beispielen möchte ich zeigen, was ich mit existenzieller Bedeutung der Wunder meine.

Bevor ich ihr euch aber wundert, möchte ich kurz darauf hinweisen, dass du meine Arbeit auch finanziell über ko-fi oder Paypal unterstützen kannst. Ich mache ja diesen Podcast und meinen Blog „ziellos unterwegs“ in meiner Freizeit und finanziere daher alles privat. Mehr Infos dazu in den Shownotes. Dort findest du auch Kontaktmöglichkeiten mit mir. Denn ich freue mich immer über Kommentare. Gern kannst du auch auf meiner Webseite vorbeisehen.

Ich habe die letzte Folge damit beendet, dass ich gesagt habe, dass die Wundergeschichten keine historischen Tatsachen erzählen wollen. Was meine ich damit?

Wir dürfen uns generell die Evangelien nicht als Geschichten im Sinn der heutigen Geschichtsschreibung vorstellen. Wer heute etwas über Josef II., über das mittelalterliche Wirtschaftssystem oder die afrikanische Kolonialzeit erfahren möchte, will wissen, wie es sich damals tatsächlich zugetragen hat. Wahr sind diese Darstellungen dann, wenn sie das erzählen, was geschehen ist.

Viele Geschichten in den Evangelien wollen in erster Linie nicht historische Tatsachen erzählen, sondern den Leser*innen die Bedeutung Jesu und sein heilbringendes Wirken darstellen. Wahrheit bemisst sich in diesem Fall aber nicht an dem, was historisch passiert ist, sondern ob in der Begegnung mit Jesus Menschen in ihre existenzielle Wahrheit geführt werden.

Das mag sich jetzt sehr kryptisch anhören. Aber die existenzielle Wahrheit lässt sich auch nicht so einfach allgemein ausdrücken. Denn sie spricht den Menschen in seiner individuellen Lebensituation an und nur aus der heraus kann sich Wahrheit offenbaren.

Bei den Wundergeschichten geht es also nicht um die historische Frage, ob das alles so stattgefunden und beobachtet werden konnte, sondern darum, wer Gott, Jesus, die Menschen und die Welt ist. Darin eröffnet sich eine ganz andere Form von Wahrheit, die uns Menschen weit mehr berührt, als diese – ja ich möchte sagen, lächerlichen – Wunderverständnisse aus der letzten Episode.

Nun aber zu den versprochenen Beispielen.

Da möchte ich am Beginn die zweite Heilung im Markus-Evangelium aufgreifen. Ich sage gleich noch dazu, dass wir diese Geschichten immer im Kontext des gesamten Evangeliums lesen müssen. Also: Bei Markus geht alles sehr rasch. Jesus tritt auf, wird von Johannes getauft, beruft seine ersten vier Jünger und spricht in der Synagoge. Schon in der Synagoge vertreibt Jesus mitten in seiner Ansprache einen unreinen Geist. Darauf will ich aber jetzt nicht eingehen. Danach kommt er zu Petrus nach Hause und heilt dessen Schwiegermutter.

Die Schwiegermutter des Petrus liegt mit Fieber im Bett. Jesus geht zu ihr, richtet sie auf und das Fieber weicht von ihr. Von da an diente sie Jesus und den anderen.

Schauen wir genauer hin: Jesus wendet sich hier einer Frau zu. Sie ist verheiratet, vielleicht schon verwitwet. Sie hat zumindest eine Tochter, die mit Petrus verheiratet ist. Jetzt liegt sie da, mit Fieber und das Leben schwindet aus ihr. Im Alten Testament gibt es einige Stellen, die Fieber mit dem Entschwinden des Lebens in Verbindung bringen. Wir dürfen uns also nicht einfach vorstellen, dass sie hier ein bisschen Fieber hat und Jesus ein wenig „Heile, heile, Gänschen“ singt.

Auf der existenziellen Ebene geht es um eine Frau, die als Frau wahrscheinlich unsichtbar ist. Die nichts zählt. Die im Hintergrund ist. Ja, die eigentlich fast schon tot ist. Wobei Tod in der Bibel nicht nur den körperlichen Tod meint.

Jetzt aber, wo Jesus kommt, wird sie Gesprächsthema. Jesus wendet sich ihr zu und richtet sie auf. Von Heilung steht da nichts. Sondern davon, dass Jesus sie aufrichtet. Und das Fieber, die Kraft, die zum Tod hinzieht, weicht von ihr. Jetzt kann sie wieder aktiv werden, sie ist wieder handlungsfähig und dient den Besuchern. Sie dient. Mit diesem Dienen ist sie aber nicht auf ihre untergeordnete Stellung als Frau verwiesen, sondern tritt damit in die Nachfolge Jesu. Denn von ihm heißt es später im Markusevangelium, er sei nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen (Mk 10,45).

Es geht hier um eine Zuwendung, die aufrichtet. Jesus richtet Menschen auf. Im Lukasevangelium wird das Thema Aufrichten anders deutlich gemacht: Der acht Tage alte Jesus wird zur Beschneidung in den Tempel gebracht. So begegnet er Simeon, der zu Maria sagt, dass ihr Sohn Jesus das Volk wieder aufrichten wird (LK 2,34).

In unterschiedlichen Formen wollen beide Autoren sagen, Jesus ist der, der aufrichtet, der die Menschen aus dem Tod, aus dem Niedergedrücktsein, aus der Unsichtbarkeit herausholt. Und das ist auch schon eine Form der Auferstehung bzw. Auferweckung. Denn die Auferweckung heißt nichts anderes als das aufzurichten, was tot ist. Tot – wie schon zuvor gesagt – in einem weiteren Sinn.

Etwas ähnliches will uns auch die Auferweckung des toten Lazarus im Johannes-Evangelium sagen. Im 11. Kapitel erzählt der Autor diese hochdramatische Geschichte. Jesus will eigentlich, dass Lazarus stirbt, denn an ihm soll die Herrlichkeit Gottes offenbar werden. Bei Johannes steht ganz eindeutig, was diese Geschichte bedeuten soll. Jesus sagt da von sich:

Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.

Dieser Satz ist auf der logischen Ebene widersprüchlich, den Jesus sagt einerseits, dass man stirbt, und andererseits, dass man auf ewig nicht sterben wird. Um Logik geht es aber nicht. Es geht um die Wahrheit unserer Existenz.

Wer schon einmal wie tot daniedergelegen ist, vielleicht aufgrund einer körperlichen Erkrankung, vielleicht wegen psychischer Probleme oder existenziellen Krisen oder vielleicht, weil niemand mehr etwas mit einem zu tun haben wollte, oder weil man als Frau einfach zu schweigen hat und in seiner Umgebung nichts zählt – wer schon soweit war, wird die Wahrheit dieser Geschichten, die Bedeutung der Zuwendung Jesu, der an dieser Stelle nicht richtet, sondern aufrichtet, existenziell erleben können.

Während bei der Auferweckung des Lazarus viel vom Glauben der Maria, seiner Schwester, gesprochen wird, wie das auch bei anderen Wundergeschichten der Fall ist, ist bei der Schwiegermutter des Petrus der Glaube kein Thema. Bei ihr wird nicht vorausgesetzt, dass sie zuerst an Jesus und seine Macht glaubt. Er wendet sich ihr zu, einfach weil sie niedergedrückt daliegt.

Ich komme zu anderen Wundergeschichten im Markus-Evangelium. Dieses Evangelium erzählt uns zwei Blindenheilungen. Diese Geschichten kann man aber nur angemessen verstehen, wenn man das ganze Evangelium im Blick hat. Deshalb hier ein paar Bemerkungen dazu.

Das Markus-Evangelium hat drei Teile, die man kurz so umschreiben kann: Zuerst wirkt Jesus in Galliläa und zieht dort von Dorf zu Dorf. Dann im zweiten Teil geht Jesus mit seinen Jünger*innen nach Jerusalem. Im dritten Teil ist er in Jerusalem, wird verhaftet, verurteilt und gekreuzigt.

Das dramatische an diesem Plot ist, dass die Jünger*innen zwar immer mit Jesus mitgehen, dass aber Markus besonders hervorstreicht, dass sie nichts verstehen von dem, was vor sich geht.

Im ersten Teil gibt es zwei so genannte Speisewunder. Wir kennen diese Geschichten: Eine große Volksmenge, einmal 4000, ein ander Mal 5000 Personen, aber zu wenig Brot und Fisch zu essen. Jesus nimmt das, was da ist, spricht das Dankgebet und lässt das Wenige den Vielen austeilen. Am Ende bleibt reichlich über. Auch hier wird nicht gesagt, dass Jesus das Brot und die Fische vermehrt hat. Was hätte eine solche Geschichte für einen Wert für uns? Jesus dankt und Jesus gibt Anweisung, das, was wir haben zu teilen. Dann ist reichlich für alle da. Können wir das heute nicht gut nachvollziehen? In Österreich, einem der reichsten Länder der Welt, haben immer noch Menschen zu wenig, weil nicht geteilt wird. Weil man denkt, man habe zu wenig, also will man das Wenige nicht mit den anderen teilen. Wer aber teilt, wird sehen, dass noch reichlich übrig bleibt. Das ist das eigentliche Wunder: Dass wir ent-täuscht werden, d.h. dass wir die Täuschung verlieren, dass wir zu wenig haben.

Diese Speisungswunder wollen noch mehr sagen, darauf kann ich jetzt nicht eingehen. Ich möchte ja zu den Blindenheilungen kommen.

Am Ende des ersten Teil des Evangeliums befinden sich die Jünger mit Jesus im Boot am See von Galiläa. Da spitzt sich jetzt die Sache zu. Die Jünger haben nur ein Brot mitgenomme und machen sich jetzt Sorgen, dass das zu wenig ist. Kann man das glauben? Wie verblendet sind die Jünger eigentlich? Haben sie nicht miterlebt, dass mit Danken und Teilen reichlich da ist? Auch Jesus versteht das nicht und konfroniert sie damit. Man kann auch sagen: Die Jünger sind blind.

So kommen sie nach Betsaida und treffen einen Blinden. D. h. Es geht bei dieser ersten Blindenheilung nicht einfach um eine körperliche Krankheit. Es geht darum, dass Menschen trotz all dem, was sie erlebt haben, immer noch nicht glauben können, dass sich ihre Augen immer noch nicht geöffnet haben, dass sie immer noch in Sorgen leben. Und die Geschichte will erzählen, dass Jesus auch diese Blindheit heilen wird. Er führt den Blinden vor das Dorf. Der Blinde muss erst aus dem Zusammenhang herausgeholt werden, in dem er steckt, ja, der ihn blind macht. Wie viele Menschen kennen wir, die zuerst ihre Familie, ihre Freunde, ihre soziale Umgebung verlassen müssen, damit sie sehen können, was Sache ist. Oder wir sprechen vom „Blick von außen“, den ein anderer hat, weil er nicht mittendrin steckt.

Jetzt, wo der Mann wieder sehen kann, soll er nach Hause gehen, aber nicht wieder in das Dorf, in jene Umgebung, die ihn blind macht. Er muss die Welt mit neuen Augen sehen und das wird nicht verborgen bleiben. Zu Hause wird man davon Notiz nehmen.

Nun folgt der zweite Teil. Jesus macht sich auf den Weg nach Jerusalem. Obwohl die Jünger auch im zweiten Teil sehr unverständig bleiben, geht es unter anderem auch um die Aussendung der Jünger, die verkünden sollen, und um das Thema Nachfolge.

Und hier – im Kontext des Themas Nachfolge und unmittelbar vor dem Ankommen in Judäa bzw. Jerusalem, wo Jesus getötet wird – kommt es zur zweiten Blindenheilung. Diese unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der ersten Blindenheilung. Auf diese Unterschiede kann ich hier allerdings nicht eingehen. Wenn du mehr über diese beiden Heilungen nachlesen möchtest, dann empfehle ich dir mein Buch „In der Dunkelheit“, in dem ich ausführlicher auf beide Heilungen eingehe.

Der Blinde hat diesmal einen Namen. Er heißt Bartimäus. Ganz anders als die Schwiegermutter des Petrus läuft er Jesus nach. Aber er wird klein gehalten, er soll still sein und keinen Aufstand machen. Bartimäus lässt aber nicht locker und bittet Jesus um Heilung. Das gewährt Jesus.

Wie die Jünger*innen ist also Bartimäus einer, der Jesus nachläuft. Auch gegen äußere Widerstände. In dieser Geschichte verdichtet sich nochmals das Jüngersein: von Jesus begeistert sein und ihm zutrauen, dass er sehend machen kann. Jüngersein bedeutet zunächst, selbst eine heilsame Begegnung mit Jesus erlebt zu haben, sehend zu werden. Bartimäus ist damit ein Kontrast zu den andern Jünger*innen, die immer noch nicht verstehen, obwohl sie schon ausgesandt wurden.

Und er bleibt Kontrastfigur. Denn von ihm heißt es, dass er Jesus nachfolgt. Er geht nicht wieder nach Hause, wie der erste Blinde, der zum Gesandten geworden ist. Nachfolge an dieser Stelle, wo Jesus nun nach Jerusalem ans Kreuz geht, bedeutet, in den Tod zu gehen. Höre dazu auch meine Podcast-Episode „Nachfolge unmöglich“, die ich in den Shownotes verlinke. Jüngersein bedeutet auch – damals wie heute – unter Umständen in den Tod zu gehen. Ganz anders als die anderen Jünger Jesu, die davongelaufen sind. Sie sind nicht bis zum Ende nachgefolgt, aus Angst zu sterben. Sie sind bis zum Schluss blind geblieben.

Nur die Frauen, die haben von weitem der Kreuzigung zugesehen und haben dann am dritten Tag danach vom jungen Mann gesagt bekommen, die blinden Jünger sollen nach Galiläa gehen. Dort werden sie Jesus sehen. Endlich werden sie sehen.

Ich hoffe, ich konnte bis jetzt deutlich machen, dass es bei diesen Erzählungen um weit mehr geht, als um Geschichten, über die man sich wundert, um Geschichten eines längst verstorbenen Magiers, der durch die Lande zieht und Zaubertricks präsentiert. Selbst die Evangelien wenden sich kritisch gegen eine solche Sicht: Denn wer zaubern kann, könnte auch vom Teufel stammen. Tricksereien sagen nichts darüber aus, ob ein Mensch von Gott gesandt ist. Hingegen wird dort Wahrheit offenbar, wo wir existenziell betroffen sind, weil wir vielleicht selbst schon fast tot waren, niedergedrückt wurden, Angst vor dem Zu-Wenig hatten oder blind waren.

Ich möchte auf noch eine Art von Wundergeschichten zu sprechen kommen und wende mich jetzt dem Matthäusevanglium zu. Im 15. Kapitel läuft eine kanaanäische Frau Jesus nach. Über diese Geschichte habe ich schon einmal in einem anderen Podcast gesprochen. Wichtig für jetzt ist folgendes: Die Frau hat eine Tochter, die von einem Dämon besessen ist. Sie bekniet Jesus, er möge ihre Tochter davon befreien. Nachdem er das zunächst verweigert, kommt er der Bitte nach.

Viele interpretieren diese Geschichte als Heilungswunder. Es steht ja auch am Schluss, dass die Tochter von dieser Stunde an geheilt war. Ganz genau: Es steht nicht da, dass Jesus die Tochter heilt, sondern einzig, dass die Tochter geheilt ist.

Es ist uns geläufig die Besessenheit durch Dämonen als Krankheit zu interpretieren, vielleicht sogar als psychische Krankheit. Dabei geht es doch an dieser Stelle um ganz etwas anderes. Dazu müssen wir aber einmal einen Blick auf die Theologie des Matthäus werfen.

Dieser Evangelist schreibt für Christen, die vor der Taufe Juden waren. Für Juden ist eigentlich klar, dass der Messias nur für die Juden kommen wird, nicht für alle Menschen. Jesus aber hat etwas anderes gelebt. Er hat sich allen Menschen zugewandt; er überwindet die Grenzen. Matthäus möchte diese jesuanische Haltung seinen Leser*innen vermitteln.

Da lässt er also ein Frau auftreten, die keine Jüdin ist. Jesus kommt zunächst einmal gar nicht auf die Idee, sich auf diese Frau einzulassen und ihrer Bitte zu folgen. Erst als sie besonders penetrant wird und sich in ein theologisches Gespräch verwickeln lässt, wird die Tochter vom Dämon befreit. Matthäus möchte sagen, dass auch jene Nicht-Juden Platz im Christentum haben, die Jesus vertrauen. Im Christentum ist für alle Menschen Platz.

Was aber hat da der Dämon verloren? Es geht nicht um eine Krankheit.

Denken wir einmal, welche Vorurteile wir gegenüber Fremden haben, zum Beispiel arabischstämmigen Menschen oder Menschen anderer Hautfarbe. So hatte man auch zur Zeit Jesu gewisse Vorurteile anderen Völkern gegenüber; zum Beispiel, dass sie von Dämonen besessen sind.

Dazu passt auch die Heilung von zwei Besessenen im 8. Kapitel des Matthäus-Evangeliums: Jesus befindet sich auf heidnischem Gebiet. Und ihm laufen zwei Typen entgegen, auf die nun alle Stereotypen zutreffen: Sie sind besessen, sie wohnen in Grabhöhlen, sie sind gefährlich, sie schreien herum.

Das Wunder geschieht in einer kleinen Geste: Jesus wendet sich diesen Menschen einfach zu. Er spricht mit ihnen. Er geht auf sie ein. Und schon verschwinden die Dämonen. D. h. es verschwinden unsere Vorurteile. Besser gesagt: Es zeigt sich, dass die Menschen doch ganz anders sind, als wir über sie denken. Es geschieht neue Begegnung. Aus Feinde werden Freunde.

Unsere Vorurteile sind eine fremde Macht, gegen die sich ein Betroffener nicht einfach wehren kann. Sein Leben wird aber durch diese dämonische Macht bestimmt. Sie führen zur sozialen Schlechterstellung und Ausgrenzung, zur Verachtung und Gewalt.

Jesus lehrt: Wenn wir uns ihnen zuwenden, ihnen zuhören, dann fallen plötzlich die Stereotype und Vorurteile weg. Die Dämonen verschwinden. Man begegnet sich von Mensch zu Mensch.

Das sind die Wunder, die uns Jesus gezeigt hat: Dass wir Vorurteile verlieren, wenn wir uns den Menschen zuwenden. Selbst Jesus musste das durch die kanaanäische Frau lernen. Dass wir Menschen, die daniederliegen und nicht mehr aufkommen, aufrichten können; dass Jesus sie aufrichtet. Dass Menschen, die wie tot leben, zu neuem Leben auferstehen können, wenn sie sich an Jesus halten. Dass wir reichlich haben, wenn wir lernen zu danken und zu teilen. Dass wir unsere Ängste und Sorgen abwerfen können, weil nur scheinbar zu wenig da ist. Dass wir das alles erst sehen lernen müssen, weil wir manchmal viel zu blind dafür sind. Für all das, was wir schon haben und was uns Jesus noch dazu geben kann.

So verstanden verbergen diese Wundergeschichten eine viel tiefere Wahrheit als all die Spekulationen um die Übertretung von Naturgesetzen.

Lies die Wundergeschichten genau durch! Lies sie im Kontext des ganzen Evangeliums! Und wenn du bei einer dieser Geschichten nicht weiterkommst, melde dich bei mir. Denken wir gemeinsam darüber nach, welche existenzielle Wahrheit für dich gerade in dieser Geschichte liegt, die du jetzt nicht verstehst.

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