Karlheinz Six

Eigentlich

Titelseite: Eigentlich

Dem*der Erfinder*in des Wortes „eigentlich“ sei Dank. Allzu schlecht kommt dieses Wort in diversen Kommunikationsseminare davon. Es wird als „böse“ Verschleierung eines anderen Wortes gedeutet, dass besser ausgesprochen werden sollte, nämlich einfach „nein“. Man soll nicht herumdrucksen, sondern klar sagen, was Sache ist. Dabei geht aber etwas verloren, was durch das „Eigentlich“ so schön unausgesprochen zur Sprache gebracht werden kann:

„Eigentlich“ zeigt eine Bewegung an. Da steckt in einem noch etwas tief drin, etwas, was vielleicht noch gar nicht so richtig gewusst wird, etwas Geheimnisvolles, etwas, was sich erst zur Sprache bringen will, was zum Aussprechen hindrängt, aber noch nicht gesagt werden kann. „Eigentlich“ eröffnet diesen dynamischen Bewegungsraum, in dem der*die Sprecher*in sich selbst ein Geheimnis bleibt, bis das Wort „eigentlich“ aus den Sätzen verschwindet. Dann hat der*die Sprecher*in das Geheimnis erfasst, wodurch es als solches, nämlich als Geheimnis, verschwindet, und in die Sphäre der bewegungslosen Beherrschbarkeit überführt worden ist.

Je mehr das „Eigentlich“ aus den Sätzen verschwindet, desto mehr wird das Gesagte beherrschbar. Im „Eigentlich“ bleibt das Geheimnis, das der Mensch sich selbst ist, unfassbar. Es ist der Mensch aber per definitionem ein seiner selbst aufgegebenes Geheimnis, sodass seine Unfassbarkeit niemals verschwinden kann, auch da nicht, wo manches beherrscht wird. So wird das „Eigentlich“ niemals aus der Sprache verschwinden und sie, die Sprache, wäre um vieles ärmer, würde es dieses Wort nicht geben.

Was labert der da?

Das wird sich jetzt mancher denken, der diese ersten drei Absätze gelesen hat. Doch es ist genau die Absicht dieses Blogs, nicht zu schreiben, was da ist, was beobachtet werden kann. Das ist einfach und genauso langweilig.

Vielmehr möchte er das zur Sprache bringen, was derzeit noch als Geheimnis in mir selbst verborgen liegt und sich zumindest anfangs nur in der Eigentlichkeitsform zur Sprache bringen kann. Dieser Blog ist nicht nur die Veröffentlichung dessen, was ich mir denke, damit es einem breiteren Publikum bekannt wird. Es ist zugleich die Aufdeckung jenes Geheimnisses, das ich mir selbst bin.

Jetzt aber mal Butter bei de Fische

Schon gut.

Eigentlich wollte ich bis vor 15 Jahren nach Südamerika in die Entwicklungszusammenarbeit gehen. Eigentlich habe ich mich damals dann doch entschlossen nach Afrika zu gehen. Zweimal – 2009 und 2011 – bin ich jeweils einen Monat nach Ghana gereist.

Eigentlich wollte ich damals schon weg aus Europa. Eigentlich wollte ich gar nicht mehr in Europa leben. Ich lebe aber immer noch in Kärnten. Wobei ich eigentlich nach dem Studium gar nicht in mein Heimatbundesland zurückkommen wollte.

Eigentlich wollte ich nach dem Auszug meiner Kinder in die Entwicklungshilfe nach Afrika gehen. Dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen. Aber ich lebe immer noch in Kärnten. Denn irgendwie komme ich hier nicht weg. Eigentlich freiwillig. Eigentlich unfreiwillig. Ich weiß es nicht.

Eigentlich will ich jetzt ein anderes Leben leben. Aber welches?

Viele Überlegungen haben mich dahin geführt, wo ich jetzt bin. Und das ist das Interessante: Von außen her habe ich mich nicht verändert. Alles ist noch beim Alten. Naja, vielleicht der Bart ist neu. Aber innerlich musste ich eine Entwicklung durchmachen, der mich zu dem Punkt gebracht hat, wo ich jetzt stehe.

Und von da aus gehe ich los. Auch von außen sichtbar.

Den Weg, den ich bis dahin genommen habe, die Überlegungen, die ich angestellt habe, werde ich im nächsten Beitrag schildern.

Eine Antwort

  1. Eigentlich wird oft verwendet… und ich verwende es eigentlich so wie du. Du schreibst eigentlich wie es mir geht. (Eigentlich bewusst oft eingebaut) 🙂😃

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