Willst du noch reich werden oder bist du schon arm? In der zweiten Folge der Reihe zum Thema Armut steht das Neue Testament im Mittelpunkt. Die Apostel haben alles verlassen und sind Jesus nachgefolgt. Auch als Gesandte sollen sie keinen Besitz mitnehmen. Ist Besitz also etwas Böses?
Ich freue mich über deine Fragen und Kommentare, auf die ich gern in der letzten Folge diese Reihe eingehen werden. Alle Nachrichten, die ich bis zum 15. Mai 2023 erhalte, kann ich berücksichtigen.
Verwendete Bibelstellen:
Sammle nicht (Matthäus 6; Lukas 12), Anweisungen an die Gesandten (Matthäus 10; Lukas 9 und 10), Reicher Mann (Matthäus 19; Markus 10; Lukas 18), Jerusalemer Urgemeinde (Apostelgeschichte 5), Abschlussworte (Jakobus 2)
Inhaltliche Zusammenfassung
Herzlich Willkommen zur zweiten Folge meiner Reihe zum Thema Armut. Sie ist zugleich die 15. Episode meines Podcasts. Was geschieht eigentlich mit all deinem Besitz, wenn du tot bist? Wir sind wohl einer Meinung, dass wir mit ihm nach dem Tod nicht mehr viel anfangen können. Klar, wir trösten uns damit, dass wir Besitz für die kommenden Generationen angehäuft haben. Aber um welchen Preis? Haben wir unseren Besitz nicht vermehrt ohne Rücksicht auf die Ressourcen zu nehmen, die die Lebensgrundlage für unsere Kinder und Enkel darstellen?
Heute werfe ich einen Blick in das Neue Testament und werde einige Stellen herausgreifen, die dem Sammeln des Besitzes sehr kritisch gegenüber stehen.
Bevor es richtig losgeht, noch kurz etwas Organisatorisches: Du kannst mir gern Fragen und Kommentare schicken, schriftlich oder als Audio. Alle Nachrichten, die ich bis zum 15. Mai 2023 erhalte, werde ich in der letzten Folge berücksichtigen. Denn in der siebenten Folge dieser Reihe werde ich mich den Fragen einer Überraschungsgesprächspartnerin stellen.
Wie schon gesagt, möchte ich heute einen Blick ins Neue Testament werfen und hier werden wir sehen, dass das Neue Testament andere Wege geht als das Alte. Vier Themen möchte ich herausgreifen:
- Das Sammeln von Besitz
- Anweisung an die Gesandten
- Reichtum und Nachfolge
- Die Jerusalemer Urgemeinde
Das Sammeln von Besitz
Beginnen wir also zunächst mit dem Sammeln von Besitz. Wir haben in der letzten Episode gehört, dass es im Alten Testament durchaus angesehen war, besitzt zu sammeln, Besitz zu vermehren. Wer einen großen Besitz hat, steht in der Gunst Gottes.
Jetzt aber werfen wir einen Blick in das Matthäus-Evangelium. Im sechsten Kapitel, also Mitten in die Bergpredigt, gibt es einen Abschnitt, der „Von der rechten Sorge“ umschrieben ist. Ich lese die ersten Verse vor.
„Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen! Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“
(Mt 6,19-21)
Es ist das interessant, dass hier gerade gegen das Sammeln von Besitz gesprochen wird. Jesus sieht hier nicht das Besitzen selbst als problematisch an, sondern eben das stetige Sammeln von Besitz. Das ist doch nutzlos, wenn alles vergänglich ist. Besser ist wohl, auf das Bleibende zu setzen, auf den Schatz im Himmel, wie es dann in späterer Folge heißt. In diesem ganzen Abschnitt möchte Jesus seine Zuhörer*innen dazu ermutigen, sich eben nicht um das Irdisch-Vergängliche zu sorgen, sondern um das Himmlisch-Bleibende. Wer Gottes Gunst erhält, für den wird Gott auch immer Sorgen, das Lebensotwendigste wird gegeben werden. Ich lese dazu noch einen Abschnitt vor:
„Deswegen sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen oder trinken sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt! Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Spanne verlängern?“
(Mt 6,25-27)
Wir sind im Leben bestrebt, immer vorzusorgen, Versicherungen abzuschließen, legen Geld an, um noch mehr Geld zu haben und später eine Zusatzpension. Jesus ruft uns hingegen zu: Sorgt euch nicht. Seid ihr nicht viel mehr wert als die Tiere und ist Gott nicht bereit für alles zu sorgen dass sie nötig hat?
Auch beim Evangelist Lukas – im zwölften Kapitel – gibt es einen Abschnitt, der mit „Die Vorläufigkeit des Besitzes“ überschrieben ist. Ich erzähle das Gleichnis kurz nach: Ein Mann hat eine große Ernte, aber eine zu kleine Scheune dafür. Er reißt nun die Scheune ab und baut eine größere. Dann hat er einen großen Besitz angesammelt und kann ein ruhiges Leben führen. Jesus endet mit folgenden Worten:
„Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast? So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.“
(Lk 12,20f.)
Lukas bringt hier im Gegensatz zu Matthäus noch einmal einen anderen Akzent: Bei ihm geht es weniger um die Vergänglichkeit des Besitzes, als um die Vorläufigkeit des Lebens selbst, denn unser Leben ist vergänglich und wozu mühen wir uns ab, einen großen Reichtum für uns selbst zu sammeln, wenn am Ende das Leben von uns genommen wird. Wir sterben und können nichts von all dem, was er angesammelt haben, mitnehmen. Wir können aber einen bleibenden Schatz im Himmel erwirtschaften und bei Gott reich sein.
Anweisung an die Gesandten
Ich komme zum zweiten Punkt: die Anweisung an die Gesandten. Vielleicht als kurze Vormerkung müssen wir zwei Bewegungsrichtungen unterscheiden: die eine ist die Nachfolge, die andere das Gesandtsein. Die erste ist also eine, die mit Jesus mitgeht. Die zweite geht von Jesus weg. Prominent sind die Apostel, die ausgesandt werden. Im Lukas-Evangelium werden zusätzlich noch 72 Personen ausgeschickt. Dabei gibt Jesus folgende Anweisung:
„Nehmt nichts mit auf den Weg, keinen Wanderstab und keine Vorratstasche, kein Brot, kein Geld und kein zweites Hemd!“
(Lk 9,3)
Eine ähnliche Anweisung findet sich auch im zehnten Kapitel des Matthäus-Evangeliums. Dort heißt:
„Steckt nicht Gold, Silber und Kupfermünzen in euren Gürtel! Nehmt keine Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen Wanderstab; denn wer arbeitet, ist seines Lohnes wert.“
(Mt 10,9f.)
Ich könnte jetzt viel über die historischen Hintergründe erzählen, warum diese Anweisungen gegeben wurden und wie das mit dem Ideal der Wanderprediger zusammenhängt. Nur kurz möchte ich auf die Wanderprediger eingehen. Das waren Prediger, die durch das Land zogen und einen Messias, das Ende der Zeit und die Rettung Israels verkündeten. Solche Wanderprediger hat es viele gegeben. Jesus war selbst Wanderprediger und auch seine Apostel. Sie waren seinerzeit keine Ausnahme. Prediger haben im Prinzip auch das Ideal der Armut gelebte. Sie nahmen nichts auf dem Weg mit. Sie sollten vielmehr für ihre Predigten in den einzelnen Orten entlohnt werden.
Im Alten Testament haben wir gesehen, dass Abraham und Mose auf ihrer Reise viel Besitz mitgenommen haben. Die Wanderprediger hingegen nehmen so gut wie nichts mit. Der Unterschied liegt wohl in der Intention: Bei Abraham und Mose handelte es sich um Umzüge. Letztlich sollten sie an einen Ort kommen, an dem sie sich niederlassen können. Anders bei den Wanderpredigern: Sei wollen nicht umziehen und sich sesshaft machen, sondern umherziehen und sich in Bewegung halten. Sie haben alles verlassen, ihre Familie und ihren angestammten Wohnsitz. Vielleicht kann man damit rechnen, dass sie irgendwann wieder zurückgekehrt sind, aber wir wissen es nicht.
Reichtum und Nachfolge
Ich komme zum dritten Punkt, nämlich zum Thema Nachfolge und Reichtum. Hier haben wir es also mit dieser zweiten Bewegung zu tun. Es gibt viele Stellen, die um dieses Thema kreisen. Ich möchte nur auf eine, sehr bekannte Geschichte eingehen, nämlich die, wie ein reicher Mann zu Jesus kommt. Er fragt, was er tun solle, um das ewige Leben zu erlangen. Jesus zählt einige der Zehn Gebote auf, woraufhin der Mann versichert, dass er das alles schon tue. Dann, meint Jesus, soll er seinen ganzen Besitz verkaufen, es den Armen schenken und Jesus nachfolgen. Der Mann geht traurig weg, weil er einen großen Besitz hat. Oft wurde die Geschichte so verstanden, dass alle, die Jesus nachfolgen, ihren Besitz verlassen müssen. Aber diese Interpretation stimmt nicht.
Diese Geschichte wird bei den Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas erzählt. es gibt dabei einige Unterschiede. Auf alle kann ich an dieser Stelle natürlich nicht eingehen, aber zwei möchte ich doch nennen.
- Bei Lukas handelt es sich um einen führenden Mann, wie ausdrücklich gesagt wird. Es ist also nicht irgendein Mann, sondern jemand der führend ist in der damaligen israelitischen Gesellschaft. Damit unterstreicht Lukas seine machtkritische Einstellung
- Ein anderer Unterschied ist dass, bei Markus Jesus den Mann umarmt, bevor er ihm sagt, er soll alles verkaufen. Bei Markus baut also Jesus eine sehr intime zuwendende Haltung zu diesem Mann auf und ruft ihn mit dieser Umarmung in die Nachfolge.
Viele sagen, dass der Mann seinen Besitz nicht verkauft hat. Das steht aber nicht da. Es steht nur da, dass er traurig weggeht. Doch ob er seinen Besitz verkauft hat und Jesus nachgefolgt ist, wissen wir nicht.
Alles zu verkaufen, oder anders gesagt, alles zu verlassen, das gilt nur für jene, die Jesus nachfolgen. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass nicht alle, die an Jesus glauben, ihm auch nachfolgen. Ich betone, dass es hier einen Unterschied gibt. Dazu möchte ich einmal eine eigene Episode machen, die das Thema Nachfolge in den Mittelpunkt rückt. Denn ich meine, dass wir heute das Wort „Nachfolge“ ganz anders verwenden als die Bibel.
Wichtig für uns ist, dass nur jene, die Jesus nachfolgen, das heißt die, die mit ihm auf den Weg gehen, aufgerufen sind, auch ihren Besitz zu veräußern, aber auch in ihre Familie zu verlassen. Mit diesem Thema setzt dann die weitere Erzählung fort. Die Begebenheit löst in den Jüngern eine große Erschütterung aus, denn Jesus sagt sofort im Anschluss an die Begegnung mit dem Mann zu seinen Jüngern auch ein bekanntes Wort: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Hier sieht das so aus, als ob sich Jesus ganz generell gegen Reiche wenden würde. Die Jünger sind entsetzt und fragen: Ja, wer soll dann überhaupt noch in das Reich Gottes kommen? Schau Jesus, wir haben doch alles verlassen. Und jetzt kommt das entscheidende Wort Jesu und etwas was wir oft überhören und das eigentlich auch sehr merkwürdig ist. Denn Jesus sagt: Für Gott ist nichts unmöglich. Das ist ein sehr merkwürdige Dialog, denn zunächst scheint Jesus sagen zu wollen, dass ein Reicher unmöglich in den Himmel kommt, und dann, dass für Gott nichts unmöglich ist. Also können Reiche doch in den Himmel kommen.
Den Jünger sagt er zu, wer um seines Willen alles verlassen hat, wird es 100fach zurückerhalten. Gemeint ist hier keine Rückerstattung wie bei Hiob, also eine Rückgabe noch in diesem Leben. Sondern im Glauben an die Auferstehung wird auf einen Lohn im Himmel verwiesen.
Die Jerusalemer Urgemeinde
Ich komme nun zum vierten und letzten Punkt: Nach dem Tod Jesu formiert sich in Jerusalem die erste Christengemeinschaft, die einen ganz wichtigen Zentralpunkt bildet. Wir lesen von ihr hauptsächlich in der Apostelgeschichte, die ja auch vom Evangelisten Lukas geschrieben wurde. Ganz kurz möchte ich auf die Art und Weise eingehen, wie diese Gemeinschaft miteinander gelebt hat. Dabei spielt auch der Umgang mit dem Besitz eine wichtige Rolle. Im Mittelpunkt steht, alles gemeinsam zu haben. Die Idee ist, dass jeder Einzelne Teil dieser Christengemeinschaft ist, seinen Besitz in die Gemeinschaft miteinbringt. Viele haben diese erste Gemeinschaft dann auch so interpretiert, als ob sie quasi kommunistisch gelebt hätte, das heißt der ganze Besitz wäre Besitz der Gemeinschaft gewesen und die Einzelnen hätten sozusagen nichts gehabt. Ob das tatsächlich so war, sei einmal dahingestellt, aber die Idee ist tatsächlich die, dass die Einzelnen ihren Besitz mit einbringen.
Es gibt dann auch einen Ehrentitel, mit dem man diese Gemeinschaft bezeichnet hat, der auch aus dem Alten Testament kommt, nämlich „Die Armen“. Paulus führt eine Kollekte, eine Sammlung durch, um die Jerusalemer Urgemeinde zu unterstützen. Auch er streicht diesen Ehrentitel „die Armen von Jerusalem“ hervor. Gemeint ist aber eben diese Urgemeinde in Jerusalem und nicht einfach die armen Menschen. Um diese Kollekte des Paulus gibt es dann später einen Konflikt zwischen ihm und der Urgemeinde. Aber das ist jetzt nicht mehr Thema diese Episode.
Wichtig ist vielmehr, dass das Kennzeichen dieser Christengemeinschaft in Jerusalem war, dass sie versucht haben, alles gemeinsam zu haben, wie auch immer das historisch ausgesehen haben mag.
Zum Abschluss möchte ich einen Passage aus dem Jakobusbrief vorlesen:
„Meine Brüder und Schwestern, haltet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, frei von jedem Ansehen der Person! Wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt und zugleich kommt ein Armer in schmutziger Kleidung und ihr blickt auf den Mann in der prächtigen Kleidung und sagt: Setz du dich hier auf den guten Platz! und zu dem Armen sagt ihr: Du stell dich oder setz dich dort zu meinen Füßen! – macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und seid Richter mit bösen Gedanken? Hört, meine geliebten Brüder und Schwestern! Hat nicht Gott die Armen in der Welt zu Reichen im Glauben und Erben des Reiches erwählt, das er denen verheißen hat, die ihn lieben? […] Wenn ihr jedoch das königliche Gesetz gemäß der Schrift erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!, dann handelt ihr recht. Wenn ihr aber nach dem Ansehen der Person handelt, begeht ihr eine Sünde und werdet vom Gesetz überführt, dass ihr es übertreten habt.“
(Jak 2,1-5.8f.)