Mit dieser Folge starte ich eine Reihe von sieben Folgen zum Thema Armut. Ich möchte dabei einer persönlichen Frage nachgehen, die mich ein Leben lang beschäftigt.
Diesmal werfe ich einen Blick in das Alte Testament, genauer in die „Biographie“ von vier Personen: Abraham, Mose, Hiob und Kohelet. Damit ist sowohl ein unproblematischer Umgang mit Besitz wie auch eine kritische Reflexion desselben angesprochen.
Ich freue mich über deine Fragen und Kommentare, auf die ich gern in der letzten Folge diese Reihe eingehen werden. Alle Nachrichten, die ich bis zum 15. Mai 2023 erhalte, kann ich berücksichtigen.
Verwendete Bibelstellen:
Gen 12-25 (Abraham), Buch Exodus 3 und 12 (Mose), Buch Hiob, Buch Kohelet
Anweisungen zum Umgang mit armen Menschen: Exodus 13 und 15, Levitikus 23 und 25
Inhaltliche Zusammenfassung
Hallo und herzlich Willkommen. Mit der heutigen Episode starte ich eine zusammenhängende Reihe zum Thema Armut. Die heutige Folge trägt den Titel „Besitz und seine Kritik“ und wirft einen Blick in das Alte Testament. Wir begegnen dabei vier sehr reichen Personen: Abraham, Mose, Hiob und Kohelet. Wir werden sehen, wie sich das Thema Besitz in ihren Biographien widerspiegelt und wie sehr das Alte Testament eine Kritik in sich selbst ist.
Bevor es aber losgeht, noch ein paar Hinweise zu dieser Reihe. Sie wird sieben Folgen umfassen. Die einzelnen Themen kannst du in den Shownotes nachlesen. Ich stelle hier eine ganz persönliche Frage in den Mittelpunkt, die mich schon ein Leben lang beschäftigt. Ich selbst hoffe, neue Erkenntnisse für mich zu gewinnen.
Anders als die bisherigen Episoden, werden diese Folgen jeden vierten Tag erscheinen. Außer die letzte. Diese wird wie üblich einen Abstand von zwei Wochen haben. Aus guten Grund: Die siebente Folge, die zugleich die 20. Episode dieses Podcasts ist, wird nämlich völlig aus der Reihe tanzen. Ich werde da nicht allein zu hören sein, sondern eine Gesprächspartnerin haben. Mehr verrate ich nicht.
Wichtig für euch soll nur sein: Ihr könnte mir gern Fragen und Kommentare schicken, schriftlich oder auch mit einem Audio. Auf diese Fragen und Kommentare werde ich in der letzten Folge eingehen. Alle bis zum 15. Mai 2023 eingesandten Beiträge werden berücksichtigt. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf deine Nachrichten.
Und jetzt geht’s los.
Zuerst möchte ich einen Blick in das Alte Testament werfen. Da gibt es einige Gesetze in Hinblick auf die Armut, aber auch vier Personen, die mir spontan einfallen: Abraham, Mose, Hiob und Kohelet.
Abraham
Seine Geschichte beginnt im 12. Kapitel des erstes Buches der Bibel, Genesis. Er wird in der Stadt Ur in Chaldäa geboren und wächst dort auf, heiratet seine Frau Sara. Später zieht er mir ihr nach Haran. Dort ereilt ihn der Ruf Gottes:
„Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.“
(Gen 12,1f.)
Gott fordert Abraham auf, Haran zu verlassen und in ein neues Land zu gehen. Ein Grund dafür wird nicht genannt.
Abraham hört auf Gott und zieht los. Nochmals ein Zitat aus der Bibel:
„Da ging Abram, wie der HERR ihm gesagt hatte, und mit ihm ging auch Lot. Abram war fünfundsiebzig Jahre alt, als er von Haran auszog. Abram nahm seine Frau Sarai mit, seinen Neffen Lot und alle ihre Habe, die sie erworben hatten, und alle, die sie in Haran hinzugewonnen hatten. Sie zogen aus, um in das Land Kanaan zu gehen, und sie kamen in das Land Kanaan.“
(Gen 12, 4f.)
Hier wird besonders betont, dass Abraham nicht als armer, sondern als reicher Mann auszieht. Wenn hier von Besitz gesprochen wird, ist an Gegenstände, aber auch an Tiere und Sklaven.
So kommen sie nach Kanaan. Einige Zeit später kommt es dort zu einer Hungersnot und so entschließen sie sich nach Ägypten zu gehen.
Da Sara eine schöne Frau ist, entschließt sich Abraham zur Lüge, denn er hatte Angst, dass ihn der Pharao töten wird, damit er Sara zur Frau nehmen kann. Abraham gibt sich also als Bruder von Sara aus und tatsächlich nimmt sich der Pharao Sara zur Frau. Als Dankeschön erhält Abraham noch mehr Besitz, denn es heißt in der Bibel:
„Er bekam Schafe und Ziegen, Rinder und Esel, Knechte und Mägde, Eselinnen und Kamele.“
(Gen 12,16)
Jedoch bestraft Gott den Pharao mit vielen Plagen, sodass dieser erkennt, dass Sara nicht Abrahams Schwester, sondern Frau ist. Er gibt ihm Sara zurück und befiehlt ihnen, dass sie das Land verlassen.
Ich breche die Geschichte von Abraham hier ab. Deutlich wird, dass eine gottgefällige Lebensweise mit Reichtum vereinbar ist. Im Gegenteil: Wer ein gottgefälliges Leben führt, wird auch ausreichend mit Besitz ausgestattet. Oder umgekehrt: Am Reichtum ist das gottgefällige Leben ablesbar.
Das hat damit zu tun, dass man nicht an die Auferstehung geglaubt hat. Der Lohn für ein gottgefälliges Leben musste also schon im Diesseits ausbezahlt werden.
Mose
Von Mose wird ab dem Buch Exodus, dem zweiten Buch der Bibel, berichtet – bis zum fünften Buch, dem Deuteronomium.
Wenn wir die Geschichte des Abraham weiter verfolgen, dass sehen wir, dass er tatsächlich zu einem großen Volk wird, dass sich am Ende aber wieder in Ägypten befindet. In Ägypten wird dieses Volk dann mit der Zeit unterdrückt und versklavt.
Mose ist zwar einer aus dem Volk Israel, wird aber auf dem Hof des Pharao großgezogen. Er erkennt dann erst mit der Zeit, dass er Zugehöriger des Volkes Israel ist. Die ganze Geschichte des Mose soll hier nicht nachvollzogen werden.
Es wird berichtet, dass er eine Berufung durch Gott erhält, sein Volk aus der Versklavung zu befreien und mit ihm Ägypten zu verlassen. Gott will sein Volk befreien. In diesem Gespräch, dass Gott mit Mose führt, sagt Gott unter anderem:
„Dann werde ich diesem Volk Gunst in den Augen der Ägypter verschaffen, und wenn ihr wegzieht, werdet ihr nicht mit leeren Händen gehen. Jede Frau mag von ihrer Nachbarin oder Hausgenossin silberne und goldene Geräte und Kleider erbitten. Legt sie euren Söhnen und Töchtern an und plündert so die Ägypter aus!“
(Ex 3,21f.)
Als es dann tatsächlich zum Auszug kommt, wird folgendes berichtet:
„Die Israeliten taten, was Mose gesagt hatte. Sie erbaten von den Ägyptern Geräte aus Silber und Gold und auch Gewänder.Der HERR ließ das Volk bei den Ägyptern Gunst finden, sodass sie auf ihre Bitte eingingen. Auf diese Weise plünderten sie die Ägypter aus.“
(Ex 12,35f.)
Also, Gott gibt die Anweisung, dass das Volk nicht nur seinen eigenen Besitz mitnimmt, sondern sich auch noch fremden anzueignen. Dieses Gottesbild mag für uns befremdlich sein, ein Gott, der zur Plünderung aufruft. Aber lassen wir das einmal Beiseite, so zeigt sich, dass sich auch hier die Gunst Gottes in der Menge des Besitzes, im Reichtum zeigt.
Hiob
In der sogenannten Weisheitsliteratur wird nun dieser Zusammenhang in Frage gestellt. In diese literarische Gattung fallen nun auch die Bücher Hiob und Kohelet.
Ich beginne mit Hiob. Von ihm wird gesagt, dass er untadelig und rechtschaffen vor Gott lebt und eine große Menge an Besitz angehäuft und sich weit im Land ausgebreitet hat. Es kommt zu einem Gespräch zwischen Gott und Satan, in dem er auf den rechtschaffenen Hiob zeigt. Der Satan meint, Hiob werde so lange an Gott festhalten, solange er seinen Besitz hat. Wenn ihm alles genommen wird, dann sieht die Sache schon anders aus. Gott bestreitet das und lässt den Satan das ausprobieren. Der Satan nimmt ihm nun alles weg: Frau, Kinder, den gesamten Besitz und die Gesundheit.
Das ganze Buch dreht sich nun darum, dass vier Freunde zu Hiob kommen und meinen, er hätte gesündigt, sich gegen Gott gestellt, sonst wäre er nicht in dieser Lage. Hiob bestreitet das. Es wird also der Zusammenhang zwischen Reichtum und Gunst Gottes diskutiert.
Das Buch bleibt dieser Idee aber letztlich verhaftet, denn am Ende heißt es, dass der Herr das Geschick des Hiob gewendet hat, dass er seinen Besitz auf das doppelte vermehrt hat, weil er in der Gunst Gottes steht.
Kohelet
Hier kommt die kritische Bezugnahme auf den Besitz zum Durchbruch. Er kann als Philosoph des Alten Testamentes gelten. Selbst bezeichnet er sich als König von Jerusalem. In seinem Buch ist er auf der Suche nach dem Glück. So geht er alles, was er in der Welt vorfindet durch, und untersucht es daraufhin, ob es glücklich macht. Am Ende kommt er immer wieder zur Erkenntnis, dass alles Windhauch, dass alles vorübergehend, nichts bleibend und daher nichts wirklich glücklich machen kann. In dieser Welt kann man kein Glück finden.
Auch dem Besitz gegenüber ist der sehr kritisch. Hier gibt es mehrere Passagen. Eine möchte ich vorlesen:
„Wie er aus dem Leib seiner Mutter herausgekommen ist – nackt, wie er kam, muss er wieder gehen. Von seinem Besitz darf er überhaupt nichts forttragen, nichts, das er als ihm gehörig mitnehmen könnte. So ist auch dies etwas Schlimmes, etwas wie eine Krankheit. Genau wie er kam, muss er gehen. Welchen Vorteil bringt es ihm, dass er sich anstrengt für den Wind? Auch wird er während seines ganzen restlichen Lebens sein Essen im Dunkeln einnehmen; er wird sich häufig ärgern und Krankheit und Unmut werden ihn plagen.“
(Koh 5,14-16)
Kohelet geht zwar auch davon aus, dass der Reichtum ein Geschenk Gottes ist. Das bedeutet aber nicht, dass der Mensch darin sein Glück findet. Reichtum ist kein Garant dafür, das Glück zu finden.
Gesetze für die Armen
Man könnte meinen, dass armen Menschen nicht in der Gunst Gottes stehen, wenn der Reichtum eine Geschenk Gottes für ein ihm gefälliges Leben ist. Das Gegenteil ist der Fall.
Zunächst muss festgehalten werden, dass schon das Alte Testament den Unterschied zwischen Eigentümer und Besitzer kennt. Eigentümer des Landes ist Gott, die Menschen, das Volk Israel ist lediglich Besitzer des Landes. So wird genau dargestellt, welcher Stamm, welche Familie, welches Land bekommt. So kann es vorkommen, dass Menschen in finanzielle Schwierigkeiten geraten und ihren Besitz verkaufen müssen. Dafür gibt es nun Regeln: Im Jubeljahr müssen alle Besitzverhältnisse zurückgesetzt werden. Auch hat jeder, der Besitz verkauft, ein Rückkaufsrecht. Die Besitzaufteilung ist göttliches Recht, das im Jubeljahr (alle 50 Jahre) wiederhergestellt werden muss.
Im Buch Levitikus finden wir die Anordnung für Ackerbauer: Sie müssen bei der Ernte den Rand des Feldes für die Armen stehen lassen. Gott will also die Armen nähren.
Eine andere Rechtsvorschrift findet sich im Buch Exodus. Der Arme muss auch zu seinem Recht kommen. Daher wird ausdrücklich den Reichen verboten, Gerichte zu bestechen. Niemand darf aufgrund seines Reichtums bevorzugt werden.
Am Ende möchte ich noch eine Passage aus dem Buch Deuteronomium vorlesen:
„Doch eigentlich sollte es bei dir gar keine Armen geben; denn der HERR wird dich reich segnen in dem Land, das der HERR, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt und das du in Besitz nimmst, wenn du auf die Stimme des HERRN, deines Gottes, hörst, dieses ganze Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, bewahrst und es hältst. […] Wenn bei dir ein Armer lebt, irgendeiner deiner Brüder in irgendeinem deiner Stadtbereiche in dem Land, das der HERR, dein Gott, dir gibt, dann sollst du nicht hartherzig sein und sollst deinem armen Bruder deine Hand nicht verschließen. Du sollst ihm deine Hand öffnen und ihm gegen Pfand leihen, was der Not, die ihn bedrückt, abhilft. Nimm dich in Acht, dass du nicht in niederträchtigem Herzen den Gedanken hegst: Bald kommt das siebte Jahr, das Brachjahr!, und deinen armen Bruder böse ansiehst und ihm nichts gibst, sodass er den HERRN gegen dich anruft und Strafe für diese Sünde über dich kommt. Du sollst ihm etwas geben, und wenn du ihm gibst, soll auch dein Herz nicht böse darüber sein; denn wegen dieser Tat wird dich der HERR, dein Gott, segnen in allem, was du arbeitest, und in allem, was deine Hände schaffen. Die Armen werden niemals ganz aus deinem Land verschwinden. Darum mache ich dir zur Pflicht: Du sollst deinem notleidenden und armen Bruder, der in deinem Land lebt, deine Hand öffnen.“
(Dtn 15,4f.7-11)