Karlheinz Six

Nicht einfach leben

Titelbild: Nicht einfach leben

Man könnte es sich einfach machen. Und viele Menschen machen sich das Leben auch einfach. Aber was ist das für ein Leben? Ist eine solch einfach geführtes Leben etwas wert? Gelange ich so zu einem bereicherten Leben? Oder muss ich da über einen steinigen Weg gehen?

Wieder einmal schaue ich mir drei Lieder der deutschen Popszene an, die das Leben thematisieren, das nicht einfach ist. Gemeint sich Die Fantastischen Vier mit Herbert Grönemeyer, Xavier Naidoo und Tim Benzko.

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Transkript

Herzlich Willkommen zur neuen Episode meines Podcasts „aus&aufbrechen“. Es ist die elfte.

Empfindest du dein Leben als einfach?

Oder ist es mit vielen Steinen und Hindernissen gespickt?

Willst du ein einfaches Leben?

Oder siehst du den Wert des Lebens gerade darin, dass es schwierig ist?

Diesmal möchte ich wieder einmal Lieder aus der deutschen Popszene aufgreifen. Gemeinsamer Nenner dieser Lieder ist das Leben, das nicht einfach ist. Und dennoch: Gerade weil es nicht einfach ist, ist das Leben etwas wert und bietet so viel mehr. So der Tenor der Lieder. Aber der Mensch ist ein Klugscheißer und meint es besser zu wissen.

Bevor es aber losgeht, möchte ich darauf hinweisen, dass ich mich sehr über jeden Kommentar und jede Nachricht von euch freue. In den Shownotes habe ich alle Kontaktmöglichkeiten angeführt. Dort findest du auch die Links zu den heute besprochenen Liedern. Ihr könnt mir gern auf Instagram oder auf Facebook folgen. Oder ihr abonniert diesen Podcast oder meinen YouTube-Kanal. Auf meiner Homepage könnt ihr euch gern für meinen Newsletter eintragen. Besonders freue ich mich, wenn ihr euren Freunden von diesem Podcast erzählt und Inhalte teilt. –

So, und jetzt starten wir, obwohl es nicht einfach sein wird.

Wie schon gesagt, möchte ich heute nicht von der Bibel oder der Religion ausgehen, sondern von drei Liedern aus der deutschen Popszene, die thematisch ähnliche Aussagen treffen. Der Glaube steht dabei nicht im Vordergrund, ist aber im Hintergrund präsent. Aber schauen wir mal, was ich damit meine.

Ich beginne mit dem ersten Lied aus dem Jahr 2007 mit dem Titel „Einfach sein“ von den Fantastischen Vier gemeinsam gesungen mit Herbert Grönemeyer. Es hat drei Strophen. In den ersten beiden Strophen werden uns zwei unterschiedliche Erlebnisse vorgeführt.

Zuerst ein Mann, der eine Frau mit schlauen Sprüchen herumkriegt, ihm in seine Wohnung zu folgen. In seiner einlullenden Pseudophilosophie lehnt der Mann alles Materielle ab und setzt ganz auf die Liebe. Die Frau ist zunächst zwar skeptisch, doch folgt sie ihm. Sie sieht nicht nur top aus, sondern Smudo sagt zu ihr: Zieh dein Top aus! So wird klar, dass das Gerede von der Liebe letztlich nur auf Sex mit der Frau abzielt.

Ja, es könnte alles so einfach sein. Ist es aber nicht. Singt Grönemeyer dann im Refrain.

Im Gegensatz zur Geringschätzung des Materiellen stellt uns die zweite Strophe einen Mann vor, der vom großen Reichtum träumt, jetzt aber ein kleiner Arbeiter ist, der nur Zettel einsortiert. Währenddessen fantasiert er von der Übernahme der Firma, für die er arbeitet. Reichtum ohne Arbeit – das ist sein Ziel. Ist es nicht das, was viele Menschen heute antreibt? Für den Mann kommt Reichtum ohne Arbeit der Befreiung von Sklaven gleich.

Es könnte alles so einfach sein. Ist es aber nicht. Singt Grönemeyer wieder. Fast könnte man sagen, er ist die sympathische Stimme der beinharten Realität.

Denn in den ersten beiden Strophen wird die Diskrepanz zwischen der Realität und dem, was man gern hätte, besungen. In diesem Sinn wird dann von manchen auch die dritte Strophe gedeutet. Ich sehe jedoch in der dritten Strophe einen Bruch: Thomas D., der diese Strophe rappt, spricht nicht mehr in der Ich-Form, sondern wendet sich mit dem „du“ zunächst an die Hörenden. Ich fasse diese Strophe daher eher als lehrhaft auf, als die Moral zum Abschluss, wenngleich sie auch Kritik an der Gesellschaft beinhaltet. Und diese besagt:

In einem sind wir alle gleich: Wir wissen nichts und doch scheinen wir über alles Bescheid zu wissen. Der Mensch ist ein Klugscheißer. Stattdessen soll er nicht versuchen, das zu durchschauen, was man sieht. Das schafft niemand. Vielmehr soll Vertrauen und Fantasie zählen.

Und dann wechselt plötzlich das Objekt des „du“: In zwei Zeilen wird Jesus Christus daraus:

„Hat alles mit dir angefangen. Du bist irgendwann übers Wasser gegangen.“ Und dann kommt die Frage: „Und wir sollen vom Affen abstammen?“

Zugegeben: Was die Fantastischen Vier mit dieser Frage aufwerfen wollen, ist mir selber nicht ganz klar. Vielleicht nur das, was sie weiter singen: Wir haben Fragen, aber eine Antwort haben wir nicht. Fort wollen wir auch, aber ankommen tun wir nicht. Ewigen Reichtum wollen wir, aber bekommen ihn nicht. Und Harrison Ford und Xavier Naidoo sind wir auch nicht.

Es kann alles so einfach sein. Ist es aber nicht. Zum Glück haben wir Grönemeyer als Stimme der realen Vernunft.

Die Erwähnung von Xavier Naidoo, der in den letzten Jahren auf ideologische Abwege geraten ist und sich selbst mittlerweile als reuiger Bekehrter inszeniert, bringt mich auf das zweite Lied. „Dieser Weg“ wurde von Naidoo 2005 veröffentlicht. Das Lied hat nur wenig Text und so ist es sehr interpretationsoffen. Es kann dadurch leicht in jede mögliche konkrete Lebensituation übertragen werden.

Er singt darin, dass es einen Weg zu einem Leben gibt, das viel mehr bietet als das jetzige. Dieser Weg ist aber alles andere als leicht und einfach, eher schwer und steinig. Am Ende des Weges – das wird schon in der ersten Zeile deutlich – ist man bei sich selbst angelangt. Er singt:

Also ging ich diese Straße lang und die Straße führte zu mir.
Das Lied, das du am letzten Abend sangst, spielte nun in mir.“

Das interessante an diesem Ziel ist, dass man am Ende nicht bei Gott, sondern bei sich selbst angekommen ist. Von Naidoo wissen wir, dass er sehr religiös war und sich vor allem von einem apokalyptischen Christentum befreien wollte. Ob ihm das gelungen ist und inwiefern er sich heute als gläubig versteht, weiß ich nicht. Jedenfalls ist dieses Zu-sich-selbst-Kommen unserer Zeit sehr angepasst, in der es ganz wichtig ist, sich selbst wieder mehr ins Zentrum seines eigenen Lebens zu stellen.

Naidoo kommt dann auch auf die Reaktion der Umwelt zu singen, die sehr unterschiedlich ausfällt: Manche werden zutreten, manche werden segnen. Die chorähnliche Instrumentierung im Hintergrund, die an ein episch gespieltes Kirchenlied erinnert, soll in den Hörenden wohl auch eine emotionale Stimmung dieses viel besseren Lebens vermitteln, sodass in uns die Motivation zu wirken beginnt, den ersten Schritt auf diesem Weg zu gehen. Oder auch um mit dem eigenen, steinigen Lebensweg versöhnter zu werden.

Wie dieses Leben konkret aussehen wird, das wird nicht gesagt. Viel eher hat man den Eindruck, dass es um eine Stimmung, ein Gefühl geht, weniger um die konkreten Lebensumstände. Während also die Fantastischen Vier konkrete Lebenssituationen schildern und am Ende mit ihrer lehrhaften Note die Moral vertreten, einzusehen, das wir beschränkt sind und daher mehr auf das Vertrauen setzen sollen, baut Xavier Naidoo ganz auf das Gefühl und die darin enthaltene Motivation. Er setzt weniger auf Lehre, denn auf Weisheit, vielleicht kann man sagen: auf spirituelle Einsicht.

Wie auch immer, so bleibt die wichtigste Aussage bedenkswert:

Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer.
Nicht mit vielen wirst du dir einig sein, doch dieses Leben bietet so viel mehr.“

Das Leben, das so viel mehr bietet, ist nur über einen steinigen, schweren Weg zu erreichen.

Bei der Fußball-WM 2006 hat Naidoo eine leicht geänderte Version herausgegeben, vor allem in Hinblick auf das Ausscheiden der deutschen Mannschaft und der WM 2010. Diese Version stellt für mich eine wesentliche inhaltliche Verschlechterung des Liedes dar. Dennoch war es kommerziell erfolgreich.

Nun gut. Ein ehemaliger Sänger der Söhne Mannheims, in der Xavier Naidoo das bekannteste Mitglied ist, war Tim Bendzko. Er wurde durch das Lied „Nur noch kurz die Welt retten“ bekannt. Auf der Deluxe-Version seines ersten Albums aus dem Jahr 2011 findet man auch das Lied „Es wird nicht einfach sein“.

Wie Naidoo stellt auch Bendzko keine konkreten Lebenssituationen vor, sodass es den Hörenden erleichtert wird, ihr eigenes Leben in das Lied einzuschreiben. Und ebenso wie Naidoo gibt es einen Weg. Im Gegensatz zu Naidoo bleibt bei Bendzko aber offen, was man am Ende des Weges finden wird. Er singt einfach nur vom Ende des Tunnels. Was da ist, ob ich selbst es bin oder jemand oder etwas anderes, wird nicht gesagt.

Auch Bendzko thematisiert die gegensätzlichen Reaktionen der anderen: Sie glauben nicht daran und sie werden Lobeslieder singen. Sind hier jedesmal Menschen gemeint? Könnten vielleicht überirdische Wesen, zum Beispiel Engel, diese Lieder singen, wie es so häufig auch in der Bibel vorkommt? Aber vielleicht habe ich da jetzt etwas überinterpretiert. Obwohl man nicht übersehen darf, dass Bendzko ein paar Semester evangelische Theologie studiert hat.

Jedenfalls möchte Bendzko gerade jene motivieren, die von etwas träumen, woran alle anderen nicht glauben. Wenn er singt, wir sind nicht zum Träumen da, dann meint er, dass wir diese Träume auch verwirklichen können. Nicht wie die Fantasischen Vier, die bereit sind, die Diskrepanz zwischen Realität und Traum zu akzeptieren.

Und doch ist Bendzko nicht so blauäugig und meint, wir könnten alles verwirklichen, was wir uns erträumen. Er singt im Konjunktiv und verwendet häufig das Wort „vielleicht“: Vielleicht ist jetzt deine Zeit; vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt, deinen Traum zu verwirklichen; was wäre, wenn du weißt, dass du es wirklich schaffen kannst.

Der Sänger hält hier etwas in der Schwebe. Es geht nicht darum, dass wir immer alles verwirklichen können. Vielmehr geht es um den richtigen Zeitpunkt, um die günstige Gelegenheit, aus der heraus wir plötzlich unseren Traum realisieren können. Die Bibel verwendet hier den Begriff „Kairos“ und meint genau diesen günstigen, einmaligen Zeitpunkt, den wir nicht versäumen dürfen. Wir selbst sind aufgerufen, diesen Zeitpunkt wahrzunehmen.

Bei Xavier Naidoo ist die Aussage, dass der steinige Weg es Wert ist, weil er zu einem guten Ziel führt, nämlich zu sich selbst. Tim Benzko, der das Ziel gar nicht genau schildert, geht noch einen Schritt weiter: Der Weg selbst ist nichts wert, wenn er nicht schwierig ist: Wenn es einfach wäre, was wäre dann deine Leben wert? Fragt er.

Und mit ein paar Textzeilen aus diesem Lied möchte ich die heutige Episode beenden. Aber nicht ohne dich nochmals aufzurufen, mir deine Gedanken zum nicht einfachen Leben zu schreiben. Ich bin gespannt auf den Austausch. Denn:

Es wird nicht einfach sein
Und würde es einfach sein
Was wär dann dein Leben wert
Nein, es ist nicht zu schwer
Und niemand, niemand außer dir glaubt daran
Was wäre wenn es reicht, dass du weißt
Dass du es wirklich schaffen kannst

Es wird nicht einfach sein
Aber vielleicht ist es soweit
Es wird nicht einfach sein
Aber vielleicht ist jetzt deine Zeit“

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