Karlheinz Six

Der Retter ist geboren?

Titelbild: Der Retter ist geboren?

Weihnachten ist der Geburtstag eines Kindes. Eine Kindes, das später als Retter bezeichnet wird. Diese Aussagen sind beide problematisch. Die erste, weil Weihnachten mehr ist als ein Geburtstag. Die zweite, weil nicht klar ist, wovor uns dieses Kind gerettet hat.

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Transkript

Herzlich Willkommen zur sechsten Folge meines Podcasts aus&aufbrechen. Schon in der letzten Episode habe ich anklingen lassen, dass wir in den Feiern von Advent und Weihnachten den Fokus nicht ganz auf die eigentliche Mitte dieser Feste legen. In der letzten Episode habe ich den Advent in den Mittelpunkt gerückt, in dieser Episode soll es Weihnachten sein, an dem wir die Geburt des angeblichen Retters feiern.

Bevor es aber losgeht, möchte ich darauf hinweisen, dass ich sehr gern mit dir in den Austausch gehe. In den Shownotes habe ich alle Kontaktmöglichkeiten angeführt. Ich freue mich sehr, wenn du diesem Podcast, mir auf Instragram oder meiner Facebook-Seite folgst oder meinen YouTube-Kanal abonnierst. Gern kannst du dich auf meiner Homepage auch für meinen Newsletter eintragen lassen. –

Beginnen wir also:

Am Beginn möchte ich ein paar historische Informationen zum Weihnachtsfest liefern:

Üblicherweise feiern wir in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember die Mitternachtsmette, die nicht überall um Mitternacht stattfindet. Dabei stellen wir die Geburt Jesu in den Mittelpunkt. Formal gesehen beginnt die Weihnachtszeit mit dem Abendgebet – der Vesper am 24. Dezember, die zumeist um 18 Uhr gefeiert wird.

Viele Christen meinen heute noch, dass die Weihnachtszeit mit dem 2. Feber endet, dem Fest der Darstellung des Herrn, im Volksmund auch Mariä Lichtmess genannt. Das war im katholischen Christentum auch tatsächlich einmal so. Heute wird das jedoch in den einzelnen Glaubensrichtungen sehr unterschiedlich gehandhabt:

Für die evangelischen Christen endet Weihnachten am 6. Jänner, also am Epiphanie-Fest, die Erscheinung des Herrn.

Für die katholischen Christen geht die Weihnachtszeit noch ein bisschen weiter, nämlich bis zum Sonntag nach dem 6. Jänner. An ihm wird die Taufe Jesu gefeiert. Dieser Tag ist gleichzeitig auch der 1. Sonntag im Jahreskreis.

Für jene katholischen Christen, die noch Anhänger der so genannten „Alten Messe“ und des alten Kalenders sind, und für die altkatholische Kirche dauert die Weihnachtszeit immer noch bis zum 2. Feber.

Bitte entschuldigt, wenn ich zur Vereinfachung jetzt die orthodoxe, die ambrosianische und andere Traditionen nicht weiter erwähne.

Der Blick auf den 6. Jänner kann uns ein wenig helfen, die größere Dimension von Weihnachten zu verstehen: An diesem Tag feiern wir das Epiphanie-Fest, die Erscheinung des Herrn. Im Volksmund wird es auch als der Tag der Heiligen Drei Könige bezeichnet. Erscheinung des Herrn heißt dieser Tag deshalb, weil Jesus der ganzen Welt als Retter gezeigt wird. Dies umfasst ursprünglich – neben der Verkündigung an die Hirten, die schon in der Christmette vorkommt – drei weitere Ereignisse:

  • die Ankunft der Sterndeuter beim Neugeborenen,
  • die Taufe Jesu
  • und die Hochzeit zu Kana.

Im heutigen Kalender feiert die katholische Kirche diese drei Ereignisse aber nicht an einem Tag, sondern an drei:

  • Am 6. Jänner kommen die Sterndeuter zum Neugeborgenen.
  • Am Sonntag danach wird die Taufe des Herrn gefeiert.
  • Und wieder einen Sonntag später, also am 2. Sonntag im Jahreskreis, steht dann die Hochzeit zu Kana im Mittelpunkt.

Ja, und zwischen dem 24. Dezember und dem 6. Jänner werden noch andere Feste gefeiert, auf die ich jetzt nicht eingehen möchte.

Die Anordnung der Feste soll eine bestimmte Glaubensaussage treffen, die in der heutigen Zeit zu kurz kommt. Da wird nicht irgendwo in einem kleinen Kaff am Rande der Welt ein kleines Kind geboren, dass so süß ist, sodass Milliarden von Menschen jedes Jahr den Geburtstag dieses Kindes feiern. Was hat dieses Kind schon an sich, dass es zu einem solchen Weltruhm gelangt? So süß kann es gar nicht sein. Das denke ich mir immer, wenn ich die sehr auf Kinder ausgerichteten, ja oft kindlich-kindischen und idealisierenden Weihnachstfeiern ansehe.

Die Feste in der Weihnachtszeit wollen vielmehr sagen: Da – in dieser Geburt – geschieht gerade ein welthistorisches Ereignis. Ein Kind aus ärmlichen Verhältnissen ist jener Retter, der von den Propheten angekündigt wurde. Dies wird von den Engeln, den Sprachrohren Gottes, den Hirten kundgetan. Nicht den Königen und Machthabern, sondern den Hirten, einer der untersten sozialen Schicht der damaligen Zeit und Gegend. Ja, davon spricht der ganze Kosmos so sehr, dass man es an den Sternen ablesen kann. Nur die eigenen Volksgenossen checken das nicht. Da müssen aus der Ferne Sterndeuter kommen, Menschen aus einem anderen Volk und mit einer anderen Religion, die dieses Weltereignis als solches anerkennen.

Jetzt und mit diesem kleinen Kind wird Gott die Welt richten. Zu dieser Metapher „die Welt richten“ verweise ich nochmals auf die letzte Episode. Jesus richtet die Welt. Und das wird den Hirten am Feld so angekündigt:

Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.“

Jesus ist der Retter.

Hm, und da stehe ich schon mit meiner Schwierigkeit. Kannst du Jesus als deinen Retter annehmen? Wenn ich nur wüsste, was das heißen soll. Wovor soll uns Jesus gerettet haben?

Ja, ein Retter wie Mose … das lass ich mir einreden. Der hat eine konkrete Rettungstat vollbracht, indem er sein Volk aus der Versklavung in Ägypten befreit hat. Das ist eine ganz konkrete Rettung, wenngleich sie mit einigen Schwierigkeiten verbunden war, mit kriegerischen Auseinandersetzungen und großem Murren und Misstrauen auf Seiten des Volkes.

Aber worin besteht die Rettungstat Jesu?

Zeloten, wie Judas Iskariot, meinten, Jesus würde das Volk aus der Knechtschaft der Römer retten. Er dachte an eine ganz spezielle, politische Art der Rettung. Das ist ja in Hinblick auf Mose auch kein abwegiger Gedanke. Nur hat Jesus das nicht getan. Er hat sich nicht als politischer Führer verstanden. „Mein Königreich ist nicht von dieser Welt“, hat er zu Pilatus gesagt. Das musste wohl auch Judas am Ende seines Lebens einsehen.

Eine andere Antwort lautet: Jesus hat uns vor Schuld und Sünde gerettet. Wie das, wenn ich mich immer noch über andere ärgere, mit ihnen Streit suche, sie verletze. Wenn ich immer noch mein Interesse für wichtiger halte als das Wohl der anderen. Wenn ich immer noch zu achtlos mit den Ressourcen dieser Erde umgehe. Wenn ich immer noch mein bequemes Leben zulasten anderer führe. Wo ist da die Rettung aus meiner Schuld?

Wieder eine andere Antwort ist die Rettung aus Krankheit und Leiden. Aber das sehen wir in unserer Welt schon gar nicht. Gerade die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg mit all den Folgen haben zu noch mehr Leiden geführt. Ganz abgesehen von all den Krankheiten, Kriegen und gewalttätigen Auseinandersetzung weltweit. Der medizinische Fortschritt hat zur Verlängerung des Lebens geführt, aber an manchen Stellen auch zur Anhäufung von mehr Leiden und Schmerzen, sodass der Staat nun den Menschen Mittel zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe sie ihr Leben beenden können. Wo ist die Rettung vor dem Leiden, den Krankheiten, der Armut und der Ausgrenzung?

Vertrösten wir Christen die Menschen nicht einfach auf ein Jenseits, auf ein Königreich in einer anderen Welt? Schließlich lautet eine weitere Antwort auf die Frage, woraus uns Jesus gerettet hat: Er hat uns aus dem Tod gerettet, weil er auferstanden ist und nun alle Menschen auferstehen werden. Nun auch hier: Wieso muss das Sterben denn dann überhaupt sein? Kann man darauf nicht gleich verzichten? Und warum muss so manches Leiden vor dem Tod sein? Das zumindest könnte man sich doch auch ersparen.

Wenn das die Rettungstaten Jesu sind, dann scheinen sie mir sehr unkonkret, ja eher vergeistigt zu sein. Hat sich das Christentum da um etwas herumgeschwindelt? Man hat doch einen konkreten Retter wie Mose erwartet. Der kam aber nicht. Hat man sich also in „geistige“ Rettungstaten geflüchtet, in Rettungstaten, die im Diesseits weder verifiziert noch falsifiziert werden können?

Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich dem Titel „Retter“ etwas abgewinnen. Ich fühle mich auch nicht gerettet. Vielleicht, weil ich noch nie in einer Situation war, von der ich dachte, gerettet werden zu müssen. Aber ich glaube auch nicht, dass alle charismatischen und evangelikalen Christen, die so enthusiastisch von ihrer Rettung reden, schon in solch rettungsbedürftigen Situationen waren.

Bevor ich nun in Versuchung geführt werde, in eine akademische Theologie abzugleiten, nur um dieser Frage nach der Rettungstat Jesu eine Antwort zu geben, und weil ich auch ganz gut mit unbeantworteten Fragen leben kann, lass ich an dieser Stelle die Frage einfach offen:

Inwiefern ist Jesus unser Retter?

Was soll dieser Titel bedeuten, das auch Relevanz für mein Leben hat?

Über eure Kommentare dazu freue ich mich.

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