Am Ende des Weges sind wie angekommen. Aber gibt es endgültiges Ankommen? Es ist zumindest die Sehnsucht des Menschen. Beispielhaft wird das an Lieder von Yvonne Catterfeld und Tim Bendzko deutlich.
Transkript
Herzlich Willkommen zur dritten Folge meines Podcasts „aus&aufbrechen“. Das letzte Mal habe ich über das Aufbrechen gesprochen. Dabei war auch schon das Ankommen Thema, das ich heute nochmals vertiefen möchte. Genauer gesagt: Das Angekommensein.
Bevor es losgeht, möchte ich darauf hinweisen, dass ich sehr gern mit dir in den Austausch gehe. In den Shownotes habe ich alle Kontaktmöglichkeiten angeführt. Wenn du mehr zu diesem Thema lesen möchtest, freue ich mich, wenn du mein Buch bestellst. Auch hier findest du einen Link in den Shownotes. Ich freue mich sehr, wenn du mir auf Instragram oder auf meiner Facebook-Seite folgst oder meinen YouTube-Kanal abonnierst. Gern kannst du dich auf meiner Homepage auch für meinen Newsletter eintragen lassen. –
Los gehts.
Ich habe das letzte Mal schon erzählt, dass ich diesen Sommer in Umbrien als Pilger am Franziskusweg von La Verna nach Rom unterwegs war.
Beim Pilgern wechseln sich die Phasen Aufbruch und Ankommen immer wieder ab. Ich habe auch über das Problem gesprochen, dass wir den Anfang, aber auch das Ende des Pilgerweges nicht richtig festlegen können. Zwar habe ich gesagt, ich bin bis Rom gekommen und so kann man sagen: Ich bin in Rom entgültig am Ziel angekommen. Aber das bin ich eben nicht. Denn am nächsten Tag habe ich mich in den Zug gesetzt und bin nach Hause gefahren.
Bin ich aber zu Hause angekommen? Oder geht meine Reise noch weiter?
Gibt es ein letztes Ankommen? Ein endgültiges Angekommensein?
Wenn ich mir das Leben manch anderer Menschen ansehe, so habe ich den Eindruck, dass sie zumindest glauben, angekommen zu sein. Sie richten sich ihr Leben ein mit einem fixen Beruf, einem Haus oder einer Eigentumswohnung, Gründung einer Familie, unternehmen regelmäßiger Freizeitaktivitäten und Urlaubsfahrten. Anfangs verläuft das Leben in mehr oder weniger geordneten Bahnen in der Ursprungsfamilie, dann begibt man sich auf der Suche und strebt danach, Voraussetzungen zu schaffen, die ein eigenständiges Leben ermöglichen. Das ist oft eine Zeit der Suche. Irgendwann festigt sich das Leben, bekommt eine fixierte Gestalt und viele sagen: Der Mensch kommt im Leben an.
Das ist nur ein äußerliche Betrachtung, von der ich einmal behaupte, dass viele Menschen das so sehen, das für sich auch als Ideal sehen. Oft kommen sie aber innerlich mit diesem Ideal nicht zurecht. Wenn wir uns zB die Scheidungsraten und Trennung oder wenn wir uns die Unzufriedenheit der Menschen ansehen, dann merken wir, dass dem äußeren Angekommensein oft kein inneres Angekommensein entspricht.
Für mich besteht allerdings die Frage, ob es in diesem Leben überhaupt ein Angekommensein geben kann, ob der Mensch letztlich überhaupt endgültig ankommen kann?
Auf diese Frage komme ich später zurück. Zuerst möchte ich auf zwei Lieder hinweise, die genau dieses Thema behandeln.
Das erste Lied ist von der deutschen Sängerin Yvonne Catterfeld und heißt „Tür und Angel“. Es handelt sich um ein Liebeslied, das im Duett mit dem Sänger Chima gesungen wird. Sie singt davon, dass ihr Leben feststeckt zwischen Tür und Angel. Den einen Fuß hat sie im Gestern, den anderen setzt sie nach vorn. Sie singt von ihrer inneren Zerrissenheit, die sie im Leben nicht ankommen lässt, die sie nicht leben lässt. Und dann heißt es:
„Doch bei dir ist alles anders, du lässt mich hier nicht steh’n
Ermutigst mich zu bleiben, auszupacken, loszuleben.Und mit dir komm‘ ich heim
Lässt mir Raum und die Zeit
Du zeigst mir, worauf es ankommt
Dass wir ankomm’n, dass wir ankomm’n
Denn mit dir komm‘ ich heim
Du sortierst, was mich treibt
Bist bei mir, wenn’s drauf ankommt
Lässt mich ankomm’n, endlich ankomm’n.“
Sie ist angekommen und kann jetzt endlich mit dem Leben beginnen. Angekommen bedeutet hier Leben, Unterwegssein bedeutet Zerrissenheit.
Auch Chima singt darauf, dass sein Leben zwischen Tür und Angel feststeckt. Und dann:
„Jetzt sehn‘ ich mich nach ’nem Wandel
Nicht nur suchen, auch endlich mal finden
Ich glaub‘, geh’n ist nur Silber
Im Bleiben liegt das Gold.“
Das Gehen, das Unterwegssein wird nicht als das Ziel betrachtet. Vielmehr will er irgendwo Bleiben, Sesshaft werden, Ankommen.
Beide finden in der gemeinsamen Partnerschaft jenes Angekommensein, dass die innere Zerrissenheit des unsteten Lebens heilt.
Das zweite Lied singt der deutsche Sänger Tim Bendzko und heißt „Auf den ersten Blick“. Er singt darin von einem Mann, der für ihn ein Vorbild war, bis er bemerkt hat, dass dieser vieles nur vorgetäuscht hat.
Am Anfang des Liedes wird dieser Mann so charakterisiert:
„Er war so sehr mit sich und seiner Welt im Rein‘
Er war so sehr von sich selbst überzeugt
Er wollte immer mehr und hat sich nie dafür verbogen
Das fiel ihm nie schwer, ihm ist das Glück zugeflogen.“
Auf den ersten Blick sieht man aber nicht, dass sich dahinter ganz etwas anderes verbirgt. So heißt es im Refrain:
„Auf den ersten Blick sieht man nicht
Dass nichts davon wahr ist
Wie groß die Gefahr ist, dass er fällt
Wenn er die falsche Richtung wählt
Auf den ersten Blick sieht man nicht
Dass er, genau wie du und ich, noch nicht angekommen ist
Und dass er eigentlich nur den Weg nach Hause sucht“
Vorbild ist dieser Mann so lange, so lange er als angekommen scheint. Dahinter verbirgt sich aber in Wahrheit ein Mann, der noch auf der Suche ist, der noch sein zu Hause sucht, weil er noch nicht angekommen ist. Solange er aber nicht angekommen ist, ist er auch kein Vorbild.
In uns steckt also das Bedürfnis, anzukommen. Unterwegs sein, keine feste Bleibe zu haben, nicht genau zu wissen, was der Weg ist, sondern immer wieder auf der Suche zu sein – das wollen wir nicht, da fühlen wir uns innerlich zerrissen. Vor allem wenn die Umgebung, die Gesellschaft, die Welt in starken Umbrüchen ist, sehnen wir uns nach dem Bleibenden, nach festen Strukturen, die uns Sicherheit geben.
Aber: Können wir in diesem Leben jemals endgültig ankommen?
Am Ende des Lebens müssen wir endgültig aufbrechen, allein, um von all dem Abschied zu nehmen, was wir lieben und was wir hassen. Umso mehr wir meinen, im Leben angekommen zu sein, umso heftiger wird uns der Tod zum letzten Aufbruch zwingen. Am Ende ist nichts von bleibender Dauer, am Ende muss ich alles zurücklassen.
Der christliche Glaube will in uns die Hoffnung wecken, dass wir nach dem Tod endgültig ankommen werden. Inwiefern diese Hoffnung berechtigt ist, darüber soll vielleicht ein andermal gesprochen werden.