Im Anfang ist die erste Folge. Daher widmet sie sich dem Thema Anfang. Sie wirft einen Blick in die Bibel. Genauer gesagt in die biblischen Bücher, die mit dem Anfang anfangen.
Transkript
Herzlich Willkommen zur ersten Folge dieses Podcasts, in dem ich mich der Frage nach dem Anfang widmen möchte. Ich steige heute vielleicht etwas Theoretischer ein. Jedoch wird uns der Inhalt der heutigen Folge auch noch in den nächsten Folgen begleiten. Dann wird es hoffentlich noch konkreter werden.
Bevor es aber losgeht, möchte ich darauf hinweisen, dass ich sehr gern mit dir in den Austausch gehe. In den Shownotes habe ich alle Kontaktmöglichkeiten angeführt. Ich freue mich auch, wenn du mir auf Instragram oder auf meiner Facebook-Seite folgst oder meinen YouTube-Kanal abonnierst. Gern kannst du dich auf meiner Homepage auch für meinen Newsletter eintragen lassen. – Und jetzt gehts los.
Wann hast du zuletzt etwas angefangen? Wahrscheinlich ist das gar nicht so lange her, denn meistens fangen wir morgens den Tag neu an. Überhaupt ist jeder Tag ein neuer Tag, auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, dass sich die Tage gar nicht mehr unterscheiden. Wenn wir mit etwas anfangen, dann geht etwas anderes zu Ende. Anfang und Ende sind nicht einfach zeitlich getrennt, sondern liegen unmittelbar beieinander. Der Anfang – wenn er zeitlich verstanden wird – ist auch immer etwas, was hinter einem gelassen wird: Jetzt stehen wir am Anfang; später nicht mehr.
Viele Philosophen haben sich über den Anfang gedanken gemacht, denn vor allem in der Neuzeit kam die Frage auf, womit in der Philosophie der Anfang zu machen ist. Einer der ersten Philosophen, der diese Frage ins Zentrum rückte, war René Descartes. Er fragte aber nicht nach dem zeitlichen Anfang, sondern suchte nach einem Grundprinzip, von dem aus alles begründet werden kann. Ein unbezweifelbares Fundament. Damit wäre dann der Anfang von allem gefunden.
Ich möchte jetzt aber meinen Blick in die Bibel werfen und ein paar Blitzlichter aufleuchten lassen.
Ich frage mich vor allem: Welche biblischen Schriften thematisieren den Anfang am Anfang?
Und da fällt natürlich auf, dass die Bibel selbst mit dem Anfang anfängt:
„Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde.“ heißt es da.
Wir können diesen Anfang zunächst als zeitlichen verstehen. Alles beginnt mit der Schöpfung. Davor war nichts. Nicht einmal die Zeit. Wenn es aber die Zeit nicht gegeben hat, dann gab es auch kein VOR der Schöpfung. Vielleicht ist dann doch kein zeitlicher Anfang gemeint?
In der Bedeutung der biblischen Sprache bedeutet Anfang aber immer auch Ursprung oder eben Fundament, Prinzip. Der Satz will also sagen: Vom Ursprung her erschuf Gott Himmel und Erde. Das Prinzip der Welt ist es, erschaffen und von Gott geordnet zu sein, wie es die weitere Geschichte erzählt.
Dieser Anfang der Bibel führt uns assoziativ sofort zum Anfang des Johannes-Evangeliums:
„Im Anfang war das Wort.“
Johannes spielt damit auf die Schöpfung an. Denn Gott erschafft da im ersten Kapitel der Bibel allein durch sein Wort. Gott wird hier nicht als Ackerbauer, als Handwerker oder als Töpfer vorgestellt, sondern als ein Gott, der ein solch wirkmächtiges Wort spricht, dass allein durch das Aussprechen alles ins Sein kommt. Das Wort ist das, wodurch sich alles materialisiert.
Bis sich das Wort selbst materialisiert und in Jesus Christus Mensch wird. So kann Johannes sagen:
„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.“
Und später:
„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“
Johannes greift damit noch eine andere Tradition auf, nämlich die biblische Weisheitslehre. Im Buch Jesus Sirach heißt es am Anfang:
„Alle Weisheit kommt vom Herrn und bei ihm ist sie in Ewigkeit. … Früher als alles wurde die Weisheit erschaffen und von Ewigkeit her die verständige Einsicht. Quelle der Weisheit ist Gottes Wort in den Höhen …“
Aus dem Wort Gottes fließt die Weisheit, die schon vor aller Schöpfung erschaffen wurde, ja von Ewigkeit her bei Gott lebt.
Wir haben jetzt vom Anfang gesprochen, der in der Schöpfung liegt und von dem her auch die Person Jesus Christus gedacht wird.
Eine andere Perspektive bringt der Autor des Markus-Evangeliums ein. Sein Evangelium beginnt mit den Worten:
„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn.“
Gefragt werden kann: Meint Markus nur die ersten Verse seines Evangeliums? Will er sagen: Ich fange jetzt an? Wohl eher nicht. Das wäre Verschwendung wertvollen Schreibmaterials gewesen. Vielmehr ist der ganze Text Anfang: Er erzählt die Geschichte vom ersten Auftreten Jesu bis zu leeren Grab. Das Evangelium geht aber noch weiter. Das merken wir am Ende des Textes: Dort sagt der junge Mann zu den Frauen, die das leere Grab entdecken, sie sollen den Jüngern ausrichten, dass sie nach Galiläa gehen sollen. Dort werden sie Jesus begegnen. Die Jünger und Jüngerinnen müssen also von Jerusalem, wo Jesus getötet wurde, zurück zu den Anfängen, nach Galiläa, wo alles seinen Anfang genommen hat. Sie müssen zurück zum Ursprung, zum Ausgangspunkt. Jesus in Galiläa ist also kein Anfang, der zurückgelassen werden soll, sondern zu dem man immer wieder zurückkommen muss. Die Vergewisserung des Glaubens geschieht immer wieder in der Rückkehr zum Anfang.
Ähnlich sieht es wohl auch Matthäus, denn sein Evangelium beginnt mit den Worten:
„Buch des Ursprungs Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.“
Hier wird gleich deutlich, dass das ganze Buch nicht einfach von Jesus, sondern vom Ursprung Jesu handelt.
Am konkretesten ist aber wohl Lukas. Sein Ansatz ist der eines antiken Historikers, dem es wichtig ist, Berichte von jene Augenzeugen zusammenzustellen, die von Anfang an dabei waren. So schreibt er am Beginn:
„Schon viele haben es unternommen, eine Erzählung über die Ereignisse abzufassen, die sich unter uns erfüllt haben. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, nachdem ich allem von Beginn an sorgfältig nachgegangen bin, es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.“
Auch bei ihm geht es um die Vergewisserung des Glaubens, indem man alles von Anfang an nochmals durchgeht. Glaube bedeutet also, immer wieder zum Ausgangspunkt, zum Ursprung, zum tragenden Prinzip zurückzukehren.
Und mit dem letzten Schreiben, dass ich erwähnen möchte, schlage ich wieder einen Bogen zurück von Lukas zu Johannes und Genesis, von der historischen zur theologischen Ebene. Der erste Brief, der dem Apostel Johannes zugeschrieben wird, beginnt mit dem Worten: „ Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben vom Wort des Lebens – das Leben ist erschienen und wir haben gesehen und bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns erschienen ist.“
Das ewige Leben, das vor aller Schöpfung beim Vater war, ist ganz konkret geworden, sichtbar, hörbar, angreifbar.
Mit dem Anfang ist also der Anfang zu machen. Der Anfang, der Ursprung ist, zu dem wir immer wieder zurückkehren müssen, um uns zu vergewissern, ob das, was wir glauben, auch dem entspricht, was sich am Anfang ereignet hat.